Friß, Kater, oder schwimm!

■ „Neujahrskaterschwimmen“ am Morgen danach mit Disco und Buffet

Der Neujahrsmorgen beginnt üblicherweise mit dem Problem des Restalkohols. Diese Frage kann — je nach Qualität und Mischungsverhältnis der in der Sylvesternacht genossenen Getränke — von der Katerfrage überlagert werden. Das Vaterland des Alkoholismus hat Tips zur Beherrschung nämlicher Unpäßlichkeiten bündelweise entwickelt, die Bremer Gesellschaft für öffentliche Bäder mit beschränkter Haftung eröffnet eine weitere Möglichkeit: das Katerschwimmen.

Zum dritten Mal lud der Erfinder des Katerschwimmens, Bäder-Geschäftsführer Peter Naujokat, am Neujahrstag ins Hallenbad Süd in der Neustadt, des übergroßen Erfolges wegen zugleich erstmalig ins Spaßbad in Vegesack. Um 12 Uhr ist die Parkplatzsuche ums Hallenbad Süd aussichtslos. Innen hat sich der Hauptsponsor des Neujahrsvergnügens, ein überregionaler Discounter, viel Mühe mit Papierschlangen, Luftballons, sektausschenkenden Tanga-Girls, einer Disko, dem Alleinunterhalter Dietmar Belda und einem opulenten Frühstücksbuffet gegeben. Für 11,11 DM katerfrühstückt man Müsli mit Heringssalat, Sherry mit Cola, mixed pickles mit Knoblauchquark, und ein halbes Tausend BesucherInnen können bei der Tombola ein Duschbad, eine Küchenwaage oder eine Krabbensuppe gewinnen. Die Badeanstalt ihrerseits bietet 28 Grad warmes Wasser, eine tropische Lufttemperatur von über 30 Grad und eine verstärkte Badeaufsicht wegen verstärkter alkoholbedingter Absaufgefahr. Die Bademeister, die bei der Erfindung des Katerschwimmens wegen Mehrarbeit murrten, werden mit einem Neujahrszuschlag von 30% bei der Stange gehalten.

Was das Katerschwimmen angeht, ist der Begriff wohl eher als Euphemismus zu verstehen: Einige hundert gesponserte Plastikbälle, ein rosa Aufblasauto und andere im Wasser treibende Erlebnis- und Spaßartikel lassen eben Platz für die begeistert quietschende Kinderschar ab ein Jahr. Die anwesenden Erwachsenen sind meist Eltern und hauen sich die Wampe voll getreu dem Motto des Moderators: „Abspecken können wir nächste Woche wieder.“ Menschen mit Alkoholproblematik wie jener Fahnenträger, dem erst ein morgentlicher „Umtrunk“ auf die Beine half, sind eindeutig in der Minderheit. Repräsentativ ist wohl eher die Mutter eines siebenjährigen Knaben, die froh ist, ihn von der Straße wegzuhaben, wo er „eh nur Knallkörper sucht“. Eltern kleiner Kinder leben auch in der Sylvesternacht solider, und überhaupt: „Was soll man mit der Familie am Neujahrstag machen?“

„Santa Maria“ von den Flippers dröhnt durch die Badehalle, der Alleinunterhalter (Brotberuf: Verkehrserziehung mit Puppe Hugo) muß noch im Hallenbad West auftreten, der Kaffee ist alle, es wird gefuttert, was das Zeug hält, der Berichterstatter trieft vor Schweiß und Spritzwasser. So ein richtig resttrunkener Badegast würde ohne Zweifel binnen Minuten kollabieren. Indes wäre er schon an der Eingangskontrolle gescheitert. So erklärt sich die unfallfreie Bilanz nach drei Jahren, in denen lediglich einmal in der Garderobe ein Fall von umgekehrter Verdauungsrichtung vorkam.

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