Fernab jedes Schemas...

■ Kalter Krieg im Berliner Feuilleton: Kostproben im Systemvergleich

»Gefährlicher Urlaub« (GB 1953) von Carol Reed mit James Mason und Hildegard Knef: (am 5.1. um 20.30 Uhr im Babylon)

Wer im Vertrauen auf den Namen Carol Reed einen neuen Dritten Mann erwartet, wird hier enttäuscht. Glaubhaft gelungen ist die scheußliche Atmosphäre des russischen Sektors von Berlin und an mehreren Stellen nimmt uns die Spannung eines guten Kriminalfilms gefangen. Hingegen gelingt es mehreren langatmigen Dialogen an verschiedenen Stellen zu langweilen. Auch ist man überrascht darüber, wie plumb manche Situationen eingefädelt und gestaltet sind. Nur die gute Fotografie und der zügige Schnitt kommen dem mageren Geschehen zu Hilfe. Eine gültige filmische Ausdeutung des Schicksals Berlins und seiner Bewohner ist dieser Film nicht. Er kann jedoch ab 16 unbedenklich gesehen werden. ('Evangelischer Filmbeobachter‘ 4/1954 München)

»Weg ohne Umkehr« (BRD 1953) von Victor Vicas mit Ivan Desny und Ruth Niehaus (am 7.1. um 17.30 Uhr im Babylon, am 8.1. um 21 Uhr im Sputnik):

Der Weg ohne Umkehr, quer durch Berlin, ist der Weg eines Russen, der anfangs ein ahnungsloser Sieger ist, dann zum Feind der Tyrannis wird, sich quält und zweifelt und zögert und sucht und schließlich in den Westen geht. Diesen Russen spielt ein Russe, Ivan Desny, und schon lange hat kein so überzeugender, so verhaltener und gleichzeitig intensiver Darsteller vor einer deutschen Kamera gestanden. Und schon lange hat keine deutsche Kamera so kunst- und kraftvoll photographiert ... Ein politischer Film, der ohne ideologisches Eifern auskommt und ohne jeden Propagandaschwall...Er hat Nachsicht, Toleranz, Überlegenheit, einen Schuß Humor und ist trotzdem entschieden...und ist trotzdem ein deutscher Film. (Gunter Groll in der 'Süddeutschen Zeitung‘ 3/1954)

»...und deine Liebe auch« (DDR 1962) von Frank Vogel mit Kati Szekely und Armin Müller-Stahl (am 10.1. um 21 Uhr im Sputnik):

Ein Festtag-Film der DEFA: Wieviel Filme auch schon mit dem Attribut »vom Leben abgelauscht« daherkamen — dieser ragt über sie hinaus. Denn ihm gelang das Seltenere: lesbar zu machen, was das Leben schrieb...und deine Liebe auch erzählt vom auf den Wechselkurs 1:4 fahrenden Taxichauffeur Klaus, an den sich das Mädchen Eva verliert — weil es so viel bequemer ist, mit dem in den Tag hineinlebenden Draufgänger zusammen zu sein, als auf Ulli zu warten, den geraden, anständigen, jungen Elektromonteur, der an Morgen denkt — und darum am 13. August mit den Kampfgruppen an der Staatsgrenze steht. Gewiß ist die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte dieses Films ausschlaggebend für die so außerordentlich dicht und liebevoll erfaßte Atmosphäre Berlins, die tatsächlich erst den wahren Zugang zur großen Aussage dieser kleinen poesievollen Erzählung öffnet...Allein im auf Ulli gezielten Feuer der Frontstadt-Polizei drückt sich aus, vor welch wirklicher Gefahr wir uns — und auch die nur von 1 bis 4 Zählenden! — am 13. August zu schützen hatten. (Gisela Herrmann in 'BZ am Abend‘, 28.9.1962)

Liebe und Dialektik — Kommunistischer Film über den 13. August. Ein Spielfilm über die Ereignisse des 13. August in Berlin wird von der staatlichen Filmgesellschaft der Sowjetzone (DEFA) gedreht. Wie die (Ost)- »Berliner Zeitung« berichtete, soll der Streifen den Zuschauern am Beispiel einer Liebesgeschichte »dialektische Einsichten« vermitteln. Die weibliche Hauptrolle in dem »sozialistischen« Gegenwartsfilm übernahm die Nachwuchsschauspielerin Kati Szekely, die am Ostberliner »Deutschen Theater« als Darstellerin des Mädchens Anne Frank bekannt wurde. Ein Kamerateam der DEFA hat bereits während der kommunistischen Absperrmaßnahmen im vorigen Sommer mit Außenaufnahmen in Ostberlin begonnen. ('Der Tag‘, 30.1.1962)