Der gute Mensch aus Pankow

■ »Die Zelluloidwaffe« — eine Filmreihe zum Kalten Krieg im Sputnik/Südstern und im Babylon/Mitte

Jeder globalstrategisch ausgefeilte Leitartikel der vergangenen Monate gelangte zum gleichen Ergebnis: Der Kalte Krieg ist vorbei. Zugegebenermaßen eine neue Umschreibung für den totalen Sieg des Westens. Der Kapitalismus hat auf ganzer Linie gewonnen: politisch, ökonomisch, ideologisch und ästhetisch. Nun kann man es sich leisten, generös zu sein. Sonst gönnt man den Verlierern ja gar nichts.

In der 14tägigen Filmreihe Die Zelluloidwaffe — Kalter Krieg und Propaganda, gemeinsam veranstaltet vom Sputnik (West) und Babylon (Ost), ist das ideologisch-ästhetische Gemetzel noch einmal nachzuerleben. Unübersehbar sind dabei die taktischen und strategischen grundlegenden Fehler, die von der sozialistischen Kriegsführung am Projektor begangen wurden.

Auch wenn es vorher schon Agentenfilme gegeben hat, stellten die Spionagegeschichten des Kalten Krieges eine Innovation des Leinwandgeschehens dar. Der Westen setzte dreist auf den Kampf gegen das absolut Böse, das es zu besiegen galt. Da die westlichen Spionage-Thriller nur modernisierte Piraten- und Drachentötergeschichten waren, nahm das Publikum die totalitäre Botschaft gerne auf, was ihm durch das launige Drumherum versüßt wurde: Liebe, Kampf und Nervenkitzel. Höhepunkt war dann James Bond, der für die Jugend der Sechziger zum Vorbild für ein sexuelles Lotterleben und lässige Aufmüpfigkeit avancierte. Die Strategie, Sex und Kommunistenvernichtung zusammenzuschweißen, funktionierte hervorragend. Wie anders dagegen der Film For Eyes Only aus den DEFA-Studios von 1963. Obwohl der Ost- Agent Hansen sehr gewitzt vorgeht und westlichen Abenteuerhelden nachempfunden ist, bleibt er auf halber Strecke stehen. Er sorgt sich unentwegt um seinen Sohn, hat nie etwas mit Frauen, trinkt so gut wie nichts, denkt ernsthaft an das Wohlergehen der Menschheit, ist überhaupt sehr humanitär veranlagt und quasi der gute Mensch aus Pankow, der ohne Parteianleitung wertvolle und riskante Arbeit erledigt. Konnte sich die DDR-Jugend für so einen Langweiler begeistern? Nein, konnte sie nicht, tat sie auch nicht, und 1989 war es dann zu spät. (In der DDR trug das Agenten-Genre übrigens den wunderschönen Namen »Kundschafterfilm«.)

Geradezu schmerzhaft ist es mitanzusehen, wie vielversprechende Ansätze immer wieder durch miefigste Spießbürgerlichkeit vermasselt werden. Nehmen wir zum Beispiel Schlager der Woche von und mit Eduard von Schnitzler. Kübelweise Spott und treffsichere Spitzen hält Schnitzler für Zarah Leander, Heinz Rühmann und andere deutsche Sänger bereit. Eine wahre Freude ist es, das letzte Aufgebot der deutschen Wehrmacht vor der Niederlage zu sehen, und Zarah Leander singt dazu: »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen« — eine Montage, die das Schaffen von Durchhalte-Leander auf den klingenden Punkt bringt. Aber nach dieser gelungenen Häme folgt sofort der Salto mortale in dumpfe Engherzigkeit. Mit eindringlichem Blick warnt Schnitzler vor den Auswirkungen des Rock'n' Roll, sagt ihm Dekadenz und Manipulation im Dienste kapitalistischer Eroberungstrategie nach. Nein, so konnte das nichts werden mit der DDR.

Überhaupt setzt das real existierende Filmschaffen der DDR viel auf Dokumentarfilme, die allerdings aufgrund ihrer pädagogisch penetrierenden Habt-acht-Haltung meilenweit am Ziel vorbeischießen oder zum Bumerang werden. Der Westen ist da, wie gesagt, um einiges geschickter und packt die Botschaften in abendfüllende Unterhaltung. Ein Verfahren, das schon Goebbels beherzigt hat, der seinen Propagandafeldzug im Kino in erster Linie mit Sentimentalität und bunten Melodien bestritt. Der Spielfilm bot außerdem den Vorteil, Botschaften bei Bedarf auch mal austauschen zu können. So machte die westdeutsche Synchronisation aus dem amerikanischen Anti- Nazi-Film Der Mann ohne Gesicht einen Anti-Kommunismus-Film. Besser als jede gewichtige Analyse erzählen diese Filme vom Scheitern der DDR und vom Sieg des Westens. V.G.

Die Filmreihe Die Zelluloidwaffe findet bis zum 10. Januar im Sputnik/Südstern und im Babylon/ Mitte statt. Einzelne Termine bitte dem Tagesprogramm entnehmen.