Drei Jahre Radio Z

■ Nürnberger Exot im bayerischen Mediendschungel

Gelegentlich kommt es vor, daß die Kabelgesellschaft in Nürnbergs kleinem Kellerstudio in der hinteren Ledergasse 10 anruft, weil sie von Radio Z kein Signal empfängt. Aber nicht immer ist ein technischer Defekt der Grund für das Sendeloch — mitunter gehört es zum Programm. Es kann sein, daß Musikredakteur Manfred wieder einmal eine Scheibe von John Cage aufgelegt hat: Die einminütige Pause ist dann Bestandteil der Komposition und wird von Radio Z selbstverständlich in voller Länge mitgesendet.

Ausgefallene Musikrichtungen gehören ebenso zum Selbstverständnis von Radio Z wie eine alternative Gangart im Wortprogramm: „Der Kopf bleibt leicht links...“, heißt es in einem beliebten Promotionspot, mit dem der Alternativsender für sich wirbt. Da wird schon mal der 129a-Prozeß zur Topmeldung der News, und Schlagzeilen wie „Staatsterrorismus“ oder „Einheits-Kohl“ sind keine Seltenheit. Wenn es Randale in Berlin oder Hamburg gegeben hat, wird Sachbeschädigung im kommentierten Wochenrückblick als „Wertminderung an CDU-Material“ umschrieben.

Drei Jahre geistert Radio Z jetzt durch den Nürnberger Radioäther, und, wie's ausschaut, wird's auch weitergehen. Gerade hat der Vorstand von R.A.D.I.O. e.V. (Rundfunk-Aktionsgemeinschaft demokratischer Initiativen und Organisationen e.V., kurz: Radio Z) einen neuen Anbietervertrag für weitere vier Jahre mit der bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) unterschrieben. So wird Radio Z demnächst sein fünfjähriges und später wohl auch sein zehnjähriges Jubiläum feiern können, wie Vorstandsvorsitzender Thomas Müller beim Dreijahresfest im Nürnberger Jugend- und Kommunikationszentrum „Komm“ zuversichtlich verkündete.

Mit 40 Prozent Wortanteil ist Radio Z ein absoluter Exot im bayerischen Radiodschungel und dient der BLM gewissermaßen als Aushängeschild für die gesetzlich vorgeschriebene Vielfalt zur Zulassung der zahlreichen Dudelfunksender im Freistaat. Doch nicht immer stand die Existenz des Alternativsenders auf so sicherem Boden wie heute. Nach dem Sendestart am 1.Dezember 1987 mit einem täglichen Programm von drei Stunden lehnte der Medienrat am 17.März 1988 eine Verlängerung der Probelizenz ab. Drei Tage später endete die „letzte“ Sendung von Radio Z mit einem schauerlichen Abgesang. Doch schon tags drauf entschied das Verwaltungsgericht Ansbach im Rahmen einer einstweiligen Anordnung: „Radio Z lebt!“

Mittlerweile sendet Radio Z täglich volle acht Stunden Programm: Eine Frauensendung gehört ebenso dazu wie der Schwulenfunk und Minderheitsprogramme für Ausländer und Strafgefangene. Nach einer Neuordnung des Nürnberger Frequenzendschungels erhielt Radio Z am 4.Dezember 1990 mit Erlangens Radio Downtown auf 95,8 MHz einen neuen Frequenzpartner. Nachdem Radio Z vorher die Frequenz mit einem Oldiesender und verschiedenen christlichen Anbietern hatte teilen müssen, soll jetzt die Frequenz homogener und damit auch attraktiver gestaltet werden.

Das Konzept, das dem Sender das finanzielle Überleben ermöglicht, ist einfach: Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie Werbeeinschaltung. Große Sprünge kann der Sender nicht machen. Die Mitarbeiter sind größtenteils ehrenamtlich tätig, es fehlt vorne und hinten an Geld, ist doch der Nürnberger Werbemarkt schwer umkämpft. Mit fünf privaten Hörfunkanbietern gilt Nürnberg als einer der härtesten Radiomärkte in Deutschland. So kämpft Radio Z um jedes Mitglied, das mit 60 D-Mark Jahresbeitrag oder gar dem Ökobank-Sparbrief den Sender unterstützt. Im Gegensatz zu manch anderen Privatradioanbietern, die erkennen mußten, daß man als kleiner Fisch den Medienhaien oft nur kurze Zeit Frequenzen wegschnappen kann, hat der Nürnberger Sender durchaus Chancen, die nächsten zehn Jahre zu überleben. Auch wenn den kommerziellen Konkurrenten das Mischmodell, Mitglieder, Radio plus Werbefinanzierung, nicht ganz geheuer erscheint. Wolfgang Seemann