: Besinnungslos im Braunkohledampf
■ In den neuen Ländern wird die Chance für eine Wende in der Energiepolitik verspielt
Die Energieversorgung der fünf neuen Bundesländer keucht im Dampf der Braunkohle. Zwei Drittel der Primärenergie und über 80 Prozent des Stroms werden mit Braunkohle erzeugt. Braunkohle aber bedeutet Flächenraubbau, Verödung ganzer Landstriche und Pseudokrupp für die Kinder. Das Verbrennen der Braunkohle erhitzt das Treibhaus zudem mit erheblich mehr CO2 als jede andere Energiequelle.
Die neuen Bundesländer verbrauchen heute pro Kopf noch wesentlich mehr Energie als die alten. Industrieanlagen schlucken immer noch überdimensional viel Energie. Bürogebäude sind überheizt, es fehlen Heizkraftregler. Der Volksmund berichtet vom Klempner, der einen Orden bekam, weil er das lauwarm gewordene Wasser aus der Fernheizung direkt in den Abfluß leitete. Die Leitungen für den Rückfluß wurden so „eingespart“.
In tatsächlicher Energieeinsparung liegt in den kommenden Jahren das größte Potential, um bessere Luft in den Städten und warme Wohnungen zu vereinbaren. Energieeinsparungen rentieren sich allemal mehr als neue Kraftwerke. Das vorhandene Fernwärmenetz in den Städten mit neuer Technologie zum Energiespartrumpf zu machen, das ist die Aufgabe, die kurzfristig energiepolitisch Sinn macht und zudem den Kommunen Einfluß auf die Energiepolitik sichert. Schon heute muß aber auch längerfristig gedacht werden. Investitionen müssen in die erneuerbaren Energieträger gehen und so angelegt sein, daß sie fossile Energieträger soweit wie möglich überflüssig machen. Noch immer besteht in der ehemaligen DDR die Chance, auf den Trümmern des alten eines der modernsten Energiesysteme der Welt aufzubauen.
Vorläufig wird zwar auf die Braunkohle nicht völlig verzichtet werden können. Aber ein „Energiemix“ mit einer maßgeblichen Rolle der Braunkohle, wie er der IG Bergbau vorschwebt, kann nur im Dampf der Schwefelschwaden geboren worden sein. Es geht kein Weg daran vorbei: Weniger Energie verbrauchen und die soweit wie möglich von Sonne und Wind erzeugen lassen ist die Devise, die langfristig Arbeitsplätze und Lebensqualität sichert. Die Braunkohle wird dann zur Restgröße.
Der Strukturwandel für die Braunkohlegebiete steht in jedem Fall an. Attraktiv für ihre Bewohner und für neue Investoren aber werden diese Gebiete nur ohne neue große Löcher in der Landschaft und ohne diesen penetranten Braunkohlegestank in der Luft. Strukturwandel braucht einen klaren Kopf, keine Schwefelschwaden. Hermann-Josef Tenhagen
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