Staatschef Siad Barre teilte, um zu herrschen

■ Der somalische Staatschef verstand es, seit 1969 die unterschiedlichen Völker seines Landes gegeneinander auszuspielen/ Die dankbare Bonner Bundesregierung unterstützte mit Polizeiausrüstungen und finanziellen Hilfen den Terrorstaat

Berlin (ap/taz) — Vom Waisenknaben und Schafhirten stieg Siad Barre zum mächtigsten Mann Somalias auf und regierte das Land am „Horn von Afrika“ mehr als zwei Jahrzehnte mit List und Terror. Doch zuletzt brachten ihn die Rebellen immer mehr in Bedrängnis. Außerhalb der Hauptstadt entglitt ihm die Macht: Spöttisch wird er jetzt schlicht „Bürgermeister von Mogadischu“ genannt.

Nach dem unblutigen Putsch von 1969 führte Barre die ehemalige italienische Kolonie durch bittere Dürrezeiten, einen grausamen Wüstenkrieg mit Äthiopien und steuerte Somalia durch Bündnisse mit der Sowjetunion und den USA. Eine besondere Beziehung verband ihn mit der Bundesrepublik Deutschland: Er erwarb sich die Dankbarkeit der Bonner Regierung samt der Zusage erheblicher materieller Hilfe — die bis heute in Form von Ausrüstungen für die Polizei andauert — durch seine Rolle bei einem spektakulären Ereignis: Barre ermöglichte es, daß am 18.Oktober 1977 die aus Deutschland eingeflogene Sondereinheit GSG9 auf dem Flughafen von Mogadischu ein von der Rote Armee Fraktion gekapertes Flugzeug der Lufthansa stürmen und die Geiseln befreien konnte.

Barre gehört dem Volk der Marehan an, einem der zahlreichen Stämme in dem Land mit acht Millionen Einwohnern, die durch eine gemeinsame Sprache und den muslimischen Glauben verbunden sind. Heute sind alle wichtigen Posten in Staat, Militär und Verwaltung von den Marehan besetzt. Da seine Mutter eine Ogadeni war, wurde dieses Volk ebenfalls privilegiert. Er verstand es lange Zeit meisterhaft, die anderen Volksgruppen, die Hawiye (40 Prozent der Bevölkerung), die Isaaks und die Majerteen, gegeneinander auszuspielen. Und das ist bedeutsam, weil die Loyalität der Somalis zunächst dem Sippenverband gehört.

Barre wurde um 1920 in der südlichen Region Juba als Sohn einer Hirtenfamilie geboren. Im Alter von zehn Jahren wurde Barre Waise und verdingte sich als Hirte. Dann trat er in die Kolonialpolizei der Italiener ein und brachte es zum Chefinspektor, dem höchsten Rang, zu dem ein Einheimischer aufsteigen konnte. Der junge Mann bildete sich selbst weiter und besuchte auch einen Militärkurs in Italien. Mit der Unabhängigkeit Somalias 1960 wurde er stellvertretender Befehlshaber des Heeres. Fünf Jahre später war er Oberkommandierender.

Nach dem Putsch 1969 machten sich Barre und seine Mitstreiter aus dem Militär daran, das vorwiegend moslemische Volk zu einen, mit einer Mischung von Marxismus, somalischen Traditionen und islamischen Werten. 1974 verbündete sich die Sowjetunion mit Somalia. Der Kreml ließ diesen Freund drei Jahre später fallen und wandte sich Äthiopien zu, mit dem Somalia zu dieser Zeit einen Grenzkrieg führte. Trotz der 1976 erfolgten Umwandlung des Landes in einen marxistischen Einparteienstaat, Barre gründete die „Revolutionäre Sozialistische Partei Somalias“, traten die Amerikaner zunehmend an die Stelle der Sowjets, denn das Horn von Afrika galt als strategisch besonders wichtig. Von dort aus ist der Zugang zum Roten Meer zu kontrollieren.

Mit dem Ende des Kalten Krieges aber schwand das Interesse an dem Freund am Horn. Zudem belastete Barre die Beziehungen durch ein immer grausameres Vorgehen gegen seine innenpolitischen Gegner. Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Africa Watch brachte das somalische Militär allein zwischen Juni 1988 und Januar 1990 bis zu 50.000 Zivilisten um. Seit der Gründung des „Somali National Movement“ (1988), das sich vor allem auf das im Norden lebende Volk der Isaaks stützt, das den Kampf gegen Barre zuerst aufnahm, befindet sich das Land im Bürgerkrieg. Die Offensive der Guerilla im Norden konnte damals nur mit dem Einsatz von weißen Söldnern begrenzt werden, da sich die Piloten der Armee weigerten, die zweitgrößte Stadt Hargeisa zu bombardieren. Besonders perfide war Barres Strategie, das Volk der Ogadenis mit dem Verprechen, die Weidegründe und das Vieh der Isaaks würden den Ogadenis zugesprochen, zum Kampf zu motivieren. Seit einem Jahr befinden sich aber auch die Ogadenis im Aufstand. Im Juli eröffneten Soldaten das Feuer auf eine Menschenmenge in einem Fußballstadion, wobei nach Schätzungen der Opposition 600 Menschen starben. Die meisten Opfer des Massakers waren Isaaks. er