„Hinfahren und töten — das geht doch nicht“

■ Ein Kriegsdienstverweigerer der Garlstedter „Hell on Wheels“ über seine Gründe, nicht in den Golfkrieg zu ziehen

Robert H. Chandler ist einer der US-Soldaten aus der Garlstedter Nato-Division „Hell on Wheels“, der sich entschlossen hat, nicht

Hier den Schwarzen

in Uniform

Robert Chandler vor...

mit an den Golf zu ziehen. Vor zwei Wochen hat er einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, und sein Vorgesetzter hat versprochen, sich dafür einzusetzen.

Robert Chandler stammt aus Detroit, hat sich mit 18 Jahren für vier Jahre in der Army verpflichtet, kam im Mai 1988 nach Garlstedt und ist jetzt 21 Jahre alt.

taz: Viele Leute sagen, ihr GI's habt doch einen Vertrag für die Army unterschrieben. Und jetzt, wo es ernst wird, wollt ihr kneifen.

Robert H. Chandler: Ich glaube, Meinungen können sich auch ändern. Ich habe den Vertrag vor drei Jahren unterschrieben, und seitdem hat sich meine Meinung sehr verändert. Ich habe darüber nachgedacht, was Krieg bedeutet. Als ich in die Army kam, hatte ich mir darüber nie Gedanken gemacht.

Und als die USA Weihnachten 1989 Panama überfallen haben sind dir auch noch keine Bedenken gekommen?

Eigentlich nicht recht. Das war nichts, das mir wirklich nah war. Ich hab' gedacht, daß dieser ganze Aufwand, der Überfall auf das kleine Land, natürlich falsch ist, nur um einen einzigen Mann zu fangen. Aber ich hatte noch keine Gefühle dabei.

Wann hast du angefangen, über die Bedeutung des Krieges nachzudenken?

Im Grunde erst, als ein paar Freunde von mir an den Golf geschickt wurden. Bis dahin gab es doch gar keinen Grund für mich, darüber nachzudenken, was die Army wirklich macht, was Krieg wirklich bedeutet.

Es war die Angst, selber in den Golfkrieg zu geraten, die dich zum Nachdenken gebracht hat?

Nicht unbedingt Angst. Einfach die Vorstellung, dahin gehen zu müssen, Menschen zu töten und zu verletzen, Menschen, die ich überhaupt nicht kenne. Die haben mir doch nie etwas getan. Da könnte ja genauso jemand kommen und sagen: 'O.k., jetzt schieß ich dich tot' — einfach so, ohne Grund.

Heute weiß ich: Die Entscheidung, in die Army zu gehen war von Anfang an falsch, das war ein großer Fehler. Ich laß mir nicht gerne vorschreiben, was ich tun soll, die Vorbereitung zum Töten — ich mag das alles nicht. Wenn ich jetzt rausgehe, werden meine finanziellen Verhältnisse vielleicht schlechter, aber zumindest kann ich machen, was ich selber will.

Einen amerikanischen Patriotismus spürst du nicht in dir?

Ich muß doch nicht patriotrisch sein, wenn ich es nicht will. Das sagt auch die amerikanische Verfasung. Ich fühle keinen Patriotismus für mein Land. Aber ich weiß genau: Was wir da am Golf machen — die Soldaten töten und die Familien leiden lassen — dagegen bin ich.

Du siehst keine Notwendigkeit einer militärischen Antwort auf die Besetzung Kuwaits durch den Irak?

Nein, denn zwei falsche Handlungen ergeben zusammen keine richtige. Wenn es immer nur noch Rache und Rache gibt, was ist das dann für eine Welt? Wir haben doch ein Wirtschaftsembargo, dem sollte man erstmal eine Chance lassen. Aber hinfahren und töten, weil sie töten, das geht doch nicht. Wo ist denn dann das Ende.

Als du vor drei Jahren zur Army kamst, hatte das für dich mit Krieg aber noch nichts zu tun?

Nein, ich hatte damals persönliche Probleme zu Hause. Ich war gerade von der Schule gekommen, und es gab überhaupt keine Hoffnung, einen vernünftigen Job zu finden. Das war eine verzweifelte Situation, und ich brauchte ja etwas zu tun. Da bin ich in die Army gegangen, um einen Job zu haben, um Geld zu verdienen.

Jetzt hast du den Kriegsdienst verweigert. Wie denken denn die anderen GI's darüber?

Ich hatte in der Kaserne gar keine Schwierigkeiten. Alle respektieren meine Entscheidung, auch wenn sie selber damit vielleicht nicht einverstanden sind.

Es gibt natürlich auch GI's, die wollen gerne an den Golf. Alle haben ihre Gründe, das ist o.k. Wenn sie unbedingt gehen wollen, dann ist es ihre Sache. Aber ich mache da nicht mit.

Hast du auch religiöse Gründe?

Nein, das ist mehr moralisch. Ich habe einfach mein eigenes Gewissen befragt.

Weißt du, was mit dir jetzt weiter passieren wird? Mußt du mit an den Golf oder kannst du hierbleiben?

Es ist schwer zu sagen, was sie tun werden. Aber ich weiß, was ich tun werde. Sie machen ihre Entscheidungen, und ich mache meine.

Und deine Entscheidung ist, nicht mitzugehen?

Ja.

Wenn es klappt und du aus der

Hier den Schwarzen,

der lächelt

... und nach der Verweigerung

Army entlassen wirst und hierbleiben kannst, was willst du dann tun?

Ich will heiraten, hier leben, einen Job suchen und meine Familie versorgen.

Fragen und Übersetzung:

Dirk Asendorpf