Bremen will Juden aufnehmen

■ Wedemeier spricht von 1,3 Prozent / Israelitische Gemeinde erfreut

„Gerade im Angesicht der glücklichen Vereinigung der beiden deutschen Staaten haben wir die moralische Pflicht, keine Juden abzuweisen“, hatte Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier in seiner Neujahrsrede betont. Durch ihre Vertreibung und Ermordung sei Deutschland arm geworden. Deshalb dürfe die Chance, „neues jüdisches Leben“ in Deutschland zur Entfaltung kommen zu lassen, nicht vertan werden.

Den Absichtserklärungen sollen nun bald Taten folgen. Wie Wedemeier gestern auf Anfrage mitteilte, ist Bremen bereit, nach dem –Königsteiner Schlüssel' 1,3 Prozent aller jüdischen Einwanderer (minus 20 Prozent, die auf die neuen Bundesländer verteilt werden sollen), zu übernehmen.

Auch die israelitische Gemeinde steht der Aufnahme von weiteren Juden in Bremen positiv gegenüber. „Wir wären sehr froh, wenn zu unseren jüdischen Gemeindemitgliedern noch einige dazukämen“, sagt der Rabbiner Benyamin Barslai. Im Gegensatz zur israelischen Botschaft in Bonn, die sich grundsätzlich gegen die Einreise sowjetischer Juden ausgesprochen hat, ist er der Meinung, jeder Jude sollte selbst entscheiden, wo er leben möchte. Für Barslai sind alle diese Menschen keine Flüchtlinge, sondern „Rückkehrer“. Wohin sie zurückkehren wollten, müßten man ihnen jedoch selbst überlassen. „Ich weiß natürlich nicht, ob sie hier in Bremen glücklich werden, aber das müssen sie selbst erfahren, man kann ihnen nichts vorschreiben.“

Barslai geht davon aus, daß zur Zeit etwa 300 bis 400 Juden in Bremen leben, von denen allerdings nur 140 Mitglieder der Gemeinde sind. Ein Wiederaufleben des jüdischen Lebens sei unter solchen Bedingungen kaum möglich. Das wäre in Israel natürlich anders. „Die Gefahr, die hier in Bremen besteht, ist die Assimilation. Dadurch, daß die Juden in der übrigen Bevölkerung aufgehen, kann das Judentum verlorengehen.“ Wirklich jüdisches Leben hänge dabei gar nicht so sehr von der Religion als von dem täglichen Erleben von Ritualen und Feiertagen ab. Das gebe es nur in Israel und in großen jüdischen Zentren wie USA oder Frankreich möglich.

Was konkrete Unterstützung betrifft, will man sich ebenfalls nicht lumpen lassen. „Wir werden, wenn Not am Mann ist, mit der allergrößten Begeisterung helfen“, sagt Karla Müller-Tupath, Vorstandsmitglied der Gemeinde. In schwerwiegenden Fällen soll eine einmalig finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden. Ansonsten wird bei der Wohnungs- und Arbeitssuche geholfen. „Wir sind der Meinung, daß wir Menschen, die um Hilfe bitten, nicht abweisen dürfen.“ Die meisten von ihnen, so Müller- Tupaths Erfahrung, seien keine Wirtschaftsflüchtlinge. Im Gegenteil. Oft ginge es ihnen in der Sowjetunion überdurchschnittlich gut. Was sie aus dem Land treibe, sei die Angst vor dem ansteigenden Antisemitismus und die Sorge um die Zukunft der Kinder. „Und wenn sie sich dann später entscheiden, nach Isreal zu gehen, unterstützen wir auch das.“ bz