Blauer Brief aus Bonn?

■ Finanzminister Waigel bringt erneut Unruhe in die Koalitionsverhandlungen

Berlin. Sobald wie möglich wollen CDU und SPD mit der Bundesregierung in Bonn über die Höhe der Bonner Zuschüsse für den Berliner Haushalt verhandeln. Das sagten gestern abend Sprecher beider Parteien am Rande der Koalitionsverhandlungen im Rathaus Schöneberg. Überraschend mußte sich die gestrige fünfte Runde der Verhandlungen mit einem Brief von Bundesfinanzminister Waigel (CDU) beschäftigen. Waigel nahm darin Stellung zu dem Berliner Wunsch nach einer Berlin-Hilfe von zusätzlich 6 Milliarden DM für den Ost-Berliner Haushalt. Der Brief soll erst heute veröffentlicht werden. CDU-Sprecher Vössing sagte nur, es zeige die Notwendigkeit einer »politischen Lösung«. Sie müsse jetzt »so bald wie möglich« in Gesprächen mit den Regierungsfraktionen in Bonn, mit Waigel und Bundeskanzler Kohl gefunden werden. Die Delegationen von CDU und SPD verhandelten gestern auch über eine Reihe weiterer Punkte. Bei Redaktionsschluß waren die Gespräche noch nicht abgeschlossen.

Der noch Regierende Bürgermeister Momper meldete vor der Verhandlungsrunde beider Parteien im Rathaus Schöneberg für die SPD den Anspruch auf sechs der bisher 13 Senatsressorts an. Momper strebt für sich selbst neben dem Amt des Bürgermeisters im neuen Senat jetzt die Übernahme eines aus zwei Verwaltungen zusammengelegten Ressorts »Arbeit und Wirtschaft« an. Er wolle den Parteivorsitz abgeben, wenn die SPD seinem Vorschlag zustimme, sagte er. »Über meine Verwendung wird aber von der Partei entschieden«, betonte Momper, der zuvor als neuer Innensenator im Gespräch war. Die SPD-Gremien wollen an diesem Samstag über Personalfragen beraten. Diepgen nannte es »mehr als verwunderlich und ärgerlich, daß sich die führenden und verantwortlichen Vertreter des abgewählten Senats wieder für leitende Posten ins Gespräch bringen«. Offenbar fehle der SPD nach ihrer katastrophalen Wahlniederlage am 2. Dezember der Mut zu einem wirklichen personellen und inhaltlichen Neuanfang, sagte er dem 'Berliner Kurier am Abend‘. hmt/dpa