Der Mann mit der goldenen Nase

■ VI.Schwimm-WM im australischen Perth/ Mit von der Partie: Ion Tiriac, der dem Schwimmsport einen Geldsegen bescheren will/ Michael Groß als Leitwolf der 122köpfigen deutschen Delegation

Perth (dpa/taz) — Unwahr ist, daß Ion Tiriac stets seinen ersten selbstverdienten Taler als Maskottchen bei sich trägt; wahr ist hingegen, daß er überall, wo er geht und steht, Geld wittert. Ob beim Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel, bei der Vier- Schanzen-Tournee der Skispringer oder beim Springreiten — wenn Tiriac auftaucht, ist sofort von Dollars die Rede.

Derzeit hat ihn sein untrügliches Näschen nach Australien geführt, und zwar nicht allein wegen seines bislang größten Goldesels, dem Tennisspieler Boris Becker, der sich anschickt, zum ersten Mal die Australian Open zu gewinnen, sondern auch wegen der VI.Schwimm-Weltmeisterschaften in Perth, die gestern mit dem Kunstschwimmen (Siegerin: Sylvie Frechette aus Kanada) und den Vorkämpfen im Turmspringen der Frauen begannen. Tiriacs Firma hat sich beim Schwimm-Weltverband FINA die Vermarktungsrechte bis 1998 erworben, und der rührige Rumäne, der an den Einnahmen prozentual beteiligt ist, gedenkt, den Schwimmsport zu einer ausgesprochen lukrativen Sportart zu entwickeln. „Schwimmen ist der populärste Sport der Welt“, meint Tiriac, der eiskalte Rechner: „Ich weiß nicht, wie viele Milliarden Menschen es gibt, aber fünfzig Prozent davon schwimmen mindestens.“

Auch das Jammern der australischen Weltmeisterschaftsveranstalter über ein gewaltiges Finanzloch von mindestens einer Million australischer Dollars kann den schnauzbärtigen Marketing-Tycoon nicht schrecken: „Solch kleine Buchhaltungsspiele interessieren mich nicht. Wenn man drei Tage vor Beginn der Veranstaltung mit Verlusten rechnet, dann hat man eine Scheißarbeit geleistet.“

Ion Tiriac ist überzeugt, daß er bessere Arbeit leisten wird, und am liebsten würde er dies 1994 bei Weltmeisterschaften in Bonn tun. Morgen entscheidet das FINA-Büro über die Vergabe dieser Weltmeisterschaft. Der sich gegen den moralischen Untergang bäumenden Bundeshauptstadt werden jedoch gegenüber den Mitbewerbern Athen und Rom nur geringe Chancen eingeräumt. Es ist äußerst fraglich, ob das zweifelsohne beachtliche Gewicht Tiriacs den Ausschlag zugunsten Bonns und vor allem gegen die mit fetten Lirebündeln winkenden Römer geben kann.

Bevor jedoch der Schnee von morgen fällt, müssen sich die Schwimmerinnen und Schwimmer erst einmal im Wasser von heute behaupten, genauer im Becken des für 25 Millionen D-Mark neu gebauten „Superdrome“ im „Entertainment Center“ von Perth. Das erste gesamtdeutsche WM-Team ist mit 122 Personen angereist. 750.000 D-Mark kostet der Trip zu den Antipoden.

Die Hoffnungen liegen fast alle auf Michael Groß, der noch einmal wie ein Berserker trainiert hat, um zum letzten Mal das Siegertreppchen bei einer Weltmeisterschaft erklimmen zu dürfen, bevor er sich in irgendeine neue Karriere als Journalist, Wissenschaftler, Triathlet, Autorennfahrer oder ähnliches verflüchtigt. „Wenn er eine Medaille holt“, vertraut Schwimmwart Hans Hartogh auf die belebende Wirkung des Leitwolfs Groß auf den Rest der schwimmenden Meute, „dann läuft es.“

Von den gehörigen atmosphärischen Störungen zwischen Ost und West, die es bei den Deutschen Meisterschaften in München gegeben hatte, ist, wie alle eifrig beteuern, in Perth noch nichts zu spüren. Der zum Aktivensprecher gewählte Zimmergenosse von Groß, der Rostocker Nils Rudolph, ist allerdings noch dezent skeptisch: „Hoffentlich gibt es keine Nachwehen.“

Einig sind sich von der Nummer 1 bis zur Nummer 122 der Delegation natürlich alle, daß Doping in Australien kein Thema sein soll. Michael Groß hat die Devise ausgegeben: Der Blick in die Zukunft soll den ängstlichen Blick ins Reagenzglas ablösen.

Über die Erfolgsaussichten der deutschen Schwimmerinnen und Schwimmer herrscht, vor allem nach den schwachen Auftritten der Athletinnen aus der ehemaligen DDR in München, große Ungewißheit. Selbst die Bundestrainer Thiesmann (Männer) und Jedamsky (Frauen), wagen es nicht, die Leistungsstärke ihrer Teams, die sich an völlig verschiedenen Orten vom mexikanischen Toluca bis zum Südtiroler Schnalztal vorbereitet haben, einzuschätzen. Gewiß scheint nur eines: Die Badekappen mit Hammer und Sichel, die trotzige DDR-Schwimmerinnen bei den Münchner Meisterschaften trugen, wird es in Perth wohl nicht geben. Um das zu verhindern, sind schließlich genügend Funktionäre mitgereist. Matti