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„Diese Ignoranz nehmen wir nicht hin“

■ Für die taz sprach Stefan Schwarz mit Corinna Brandt, Sven Wörner (im Hungerstreik gegen die „Abwicklung“) und Jörg Kuschnerenko (Mahnwache) von der Karl-Marx-Universität Leipzig

taz: Ihr seid jetzt seit vierzehn Tagen im Hungerstreik. Nichts hat sich bewegt. Auf welches Zeichen hin würdet Ihr den Hungerstreik abbrechen?

Wenn die definitive Zusicherung kommt, daß unsere Minimalforderungen erfüllt werden. Wir sind mehrfach mit dem Forderungskatalog heruntergegangen, so haben wir den Rücktritt des Rektorats und eine Gesamtlösung für alle fünf neuen Bundesländer aus dem Programm genommen. Aber irgendwo ist Schluß. Die Minimalforderung der realen Mitbestimmung bei Struktur- und Personalveränderungen bleibt.

Der sächsische Wissenschaftsminister Mayer hat mit euch gesprochen. Was war das Ergebnis?

Eigentlich gab es kein Ergebnis. Der Mann ist völlig starr. Er hat ein paar Kleinigkeiten angeboten. Etwa die viertelparitätische Besetzung der Gründungskommissionen, in die dann auch Studentenschaft und akademischer Mittelbau einbezogen werden. Aber dieses Gremium hat nur beratende Stimme. Damit lassen wir uns nicht locken.

Wie soll denn nun eine demokratische Mitbestimmung aussehen, die euren Interessen gerecht wird?

Mayer hat da an solche Ehrenausschüsse gedacht mit lauter „politisch integren“ Personen. Aber diese Leute kennen die Situation an der Universität nicht. Wie wollen die einen Wissenschaftler bewerten, der nicht immer so konnte, wie er wollte, aber trotzdem vor Ort unwahrscheinlich viel an kritischem Geist und souveränem Denken angestoßen hat? Methodische Kraft und moralische Dignität können nur die Betroffenen beurteilen. Die Studenten können sagen, bei wem sie studieren wollen und bei wem nicht.

Und das Argument, der alte Stamm der Wissenschaftler könne keine qualitativ hinreichende Ausbildung mehr vermitteln?

Da wird meistens hochgestapelt. Als ob hier nur Legitimationswissenschaft getrieben worden wäre. Die methodische Ausbildung in der Sektion Journalistik, und das ist fast der Hauptteil neben der inhaltlichen Spezialisierung, ist auch im Westen anerkannt. Da liegen die Lehrbücher abgegriffen in den Bibliotheken. Die Umprofilierung des Philosophiestudiums wurde ebenfalls von kompetenter, westlicher Seite als erfolgversprechend bewertet. Das sind die Vorschläge, die Mayer noch als Bildungsminister der DDR zugesandt wurden und die bloß mit einer ausweichenden Erklärung beantwortet wurden. Wie kann dieser Mann sich jetzt hinstellen und sagen, die Universität hätte in der Vergangenheit bloß Etikettenschwindel bei ihren Reformbemühungen betrieben?

Besteht nicht die Gefahr, daß ihr für Leute hungert, die ihr eigentlich loswerden wollt?

Nein, wenn wir uns durchsetzen, wird gerade das nicht passieren. Jetzt hingegen sollen erst mal alle bestraft werden. Mayer hat verkündet, wer den auf drei Monate befristeten Arbeitsvertrag nicht unterschreibt, braucht sich gar nicht wieder zu bewerben. Wie sollen die Wissenschaftler unter diesen Bedingungen lehren und Prüfungen abnehmen? Das ist doch die totale Erniedrigung. Nehmen wir den Fall Helmut Seidel, international anerkannter Philosophiehistoriker, ein Mann, der zehn Jahre Publikationsverbot hatte. Der soll jetzt auf die Warteschleife wie ein Aspirant? Das sind alles Belange, die Mayer kalt ignoriert. Das werden wir nicht hinnehmen.

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