Rektor Timm hat Dialektik gelernt

■ Neujahrsempfang der Freunde der Uni Bremen / „Uni ist nun volljährig“

“Und wie haben Sie die Festtage verbracht? Was, Sie waren nicht in den Bergen?“, raunten sich gestern Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und sonstige Freunde der Bremer Universität beim Neujahrsempfang zu. Etwa 60 dunkelgerobte Herren und einige vereinzelte Damen waren im Kaiserzimmer des Rathauskellers erschienen . Hier versammelt man sich nur zu besonderen Anlässen, und daß ein solcher vorliegt, daran lassen die wichtigen Mienen der Versammelten keinen Zweifel. Man ist zusammengekommen, um zurück und in die nahe Zukunft zu blicken.

Intelligent dreinschauende Herren beherrschen das Feld. Die wenigen Damen weichen, offensichtlich im Bewußtsein ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit, an den Rand des holzgetäfelten Raumes aus, tuscheln, Sektgläser in der Hand, mit Nachbarinnen oder stehen verloren in der Landschaft. Nach zwei akademischen Vierteln beginnt endlich der offizielle Teil. Gefeiert wird nicht nur ein neues Jahrzehnt, sondern auch der zwanzigste Geburtstag der Bremer Universität. Und da gibt es, zumindest nach Meinung der Anwesenden, einiges vorzuweisen. Kurz, die „Rote Kaderschmiede“ hat sich gemausert, ist inzwischen volljährig und wird heute in der Bremer Gesellschaft ernst genommen.

Stolz verweist Rektor Jürgen Timm auf Zahlen. Insgesamt wirken heute 2.000 Mitarbeiter in den verschiedenen Ebenen des Lehrinstituts. Pro Jahr wurden etwa 100 neue Arbeitsplätze geschaffen. Eine Zahl die sich sehen läßt, meint Timm. „Man sieht, die Uni hat auf dem Arbeitsmarkt eine wichtige Funktion“.

Auch die Zahl der Studenten ist enorm gestiegen. Von 1971 bis 1991 besuchten 28.000 Wissenshungrige die Hochschule, 8.000 mehr, als nach den ursprünglichen Planungen erwartet. Daß der überdurchschnittlich hohe Anstieg inzwischen zu einem ernsten Problem geworden ist, muß Rektor Timmm allerdings trotz Erfolgsmeldungen einräumen. „Auf 14.000 Studenten kommen heute etwa 7600 Studienplätze. Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand.“ Da müsse sich in der nächsten Zeit ganz grundlegend etwas ändern. „Wir können nicht darauf warten, daß sich das irgendwie so hinmuddelt“, sagt Timm. Die Uni brauche vor allen Dingen mehr Geld von der Stadt.

Positiv sei die Entwicklung der Drittmittelförderung. Von null ist sie auf inzwischen 60 Millionen gestiegen. Ebensoviel Geld erhält die Uni für Wissenschaft und Forschung vom Land. Die Gefahr, die sich bei diesem Verhältnis 1:1 ergibt, sei, so Timm, eine zunehmende Fremdbestimmung. Obwohl es dem Land Bremen schlecht ginge, müsse mehr Geld locker gemacht werden. „Das ist die Dialektik, die wir in den ersten Jahren der Uni gelernt haben“.

Und was gibt es sonst noch Neues für das Jahr 1991? Zwei 5.000 Mark-Preise für die besten Lehrveranstaltungen spendiert die Gesellschaft der Freunde der Universität. Über das Auswahlverfahren hüllen sich die Freunde jedoch noch in Schweigen. Und: Zwei Stiftungsprofessuren in den Bereichen „Umwelttechnik“ und „Virologie“ (Wissenschaft vom Virus) sind soeben eingerichtet worden. bz