»Wir sind der beste Zoo der Welt«

■ Direktor des Zoos wird 65 Jahre alt/ Affen warten auf den Chef/ Wort »Gefangenschaft« schmeckt dem Direktor nicht

Tiergarten. Jeden Wochentag um Punkt 8 Uhr trifft sich der Direktor des Zoologischen Gartens, Heinz- Georg Klös, am Haupttor mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern und streift mit diesen zwei Stunden durch das Gelände. Seinen Schritt lenkt er vorbei an den Käfigen, Volieren, Freigehegen und Wasserbecken, um sich wie der Arzt bei der Visite einen persönlichen Eindruck vom Befinden seiner Pfleglinge zu verschaffen. Doch in den letzten Tagen warteten nicht nur die Affen, die morgens mit ihren Nasen an der Glasscheibe kleben, vergebens auf Klös. Der Grund: Der Chef muß Interviews geben, weil er morgen 65. Geburtstag hat.

So lange, wie der mittelgroße Mann mit dem leicht zerzausten, grauen Haar und der frischen Gesichtsfarbe, hat es in Berlin noch niemand als Direktor des Zoos ausgehalten — und den Zoo gibt es immerhin seit 146 Jahren. Die letzten 34 Jahre gehen auf das Konto von Heinz-Georg Klös, der 1957 als neuer Chef die Nachfolge von Katharina Heinroth antrat. Was ihn in all den Jahren am meisten berührt hat? Klös denkt kurz nach, dann fallen ihm als erstes die Pandabären und als zweites die »große Tierliebe« der Berliner ein. Das Pandabären-Pärchen Bao-Bao und Tjen-Tjen war dem Zoologischen Garten 1983 von Altbundeskanzler Helmut Schmidt geschenkt worden. Tjen-Tjen machte es jedoch nicht lange. Sie starb an einer unbekannten Virusinfektion. Seither fristet Bao-Bao sein Dasein allein. »Das macht ihm aber überhaupt nichts aus«, versichert Klös. »Pandabären sind absolute Einzelgänger, sie kommen nur einmal im Jahr für eine Viertelstunde zusammen, wenn sie erwachsen sind.« Die Chance, ein neues Weibchen zu bekommen, ist gleich Null. Klös bestreitet, daß Tjen-Tjen die Gefangenschaft möglicherweise nur nicht verkraftet habe. »Vielleicht wäre er in Freiheit viel früher eingegangen«, sagt er. Das Wort >Gefangenschaft< schmeckt dem Zoodirektor überhaupt nicht. Er spricht von Obhut und Pflege der Tiere in Menschenhand. Tiere, von denen bekannt sei, daß sie das Eingesperrtsein nicht verkraften, würde der Zoo niemals halten, versichert er. Ein Bespiel dafür hat der Direktor aber nicht gleich zur Hand. Sein Mitarbeiter Rudolf Reinhard, eigenen Angaben zufolge im Zoo das Mädchen für alles, fällt der Koalabär ein. Klös nickt: »Stimmt, aber den halten wir nicht, weil wir nicht in der Lage sind, ihm die frischen Eukalyptusblätter zu verschaffen. Es gibt 450 verschiedenen Bäume und die Blätter, die er braucht, müssen dazu noch ein ganz bestimmtes Alter haben.«

Das der Zoologische Garten mit seinen 1.600 Tierarten einen guten Ruf hat, erfüllt Heinz-Georg Klös mit Stolz. »Wir sind der beste Zoo der Welt, das sagt man nicht gern, aber es gibt nichts Besseres«, meint er verschmitzt lachend. Weil die Besucherzahl in seiner 34jährigen Dienstzeit von 700.000 auf vier Millionen im Jahr und die Zoo-Aktie von 135 Mark auf 5.000 Mark gestiegen ist, darf sich Klös schon mal auf die Schulter klopfen. Der Jahresetat beträgt 20 Millionen Mark, wovon knapp über die Hälfte selbst erwirtschaftet werden. »Das schafft kein Zoo auf der Welt«, sagt Klös und kann sich den kleinen Seitenhieb nicht verkraften, daß sich Oper, Theater und sonstige kulturelle Einrichtungen der Stadt daran ein Bespiel nehmen sollten. Mit großer Befriedigung stellt Klös fest, daß der Zoo so gut wie keine Tiere mehr zu kaufen braucht. Weil die Nachzucht so gut klappt, gibt er sogar ständig welche ab. Den Gedanken, Tiere, wie den vom Aussterben bedrohten sibirischen Tiger, wieder in freier Wildbahn auszusetzen, bezeichnet Klös als Unsinn. Der Tiger sei nicht durch die Jagd dezimiert worden, sondern weil sein natürliches Lebensfeld durch die Industrieansiedlungen zerstört worden sei.

Auf den Ostberliner Tierpark angesprochen, wird der alte Zoodirektor richtig böse, weil von einer Zeitung die Falschmeldung kolportiert worden ist, der Tierpark solle aufgelöst werden. »Da ist nicht eine Sekunde dran gedacht worden«, regt sich Klös auf. Für die Zukunft kann er sich vorstellen, daß Ost- und Westberliner Zoo ein Kontrastprogramm erarbeiten. »Vielleicht so: Hier die Panzernashörner, dort die Spitzmaulnashörner und so weiter. Elefanten, Giraffen und Affen muß jeder Zoo haben. Herdentiere, die vom Aussterben bedroht sind, gehören auf jeden Fall in den Tierpark.« Der Grund: Der Tierpark hat 185 ha und der Zoologische Garten nur 34 ha.

Sein Lieblingstier wollte Klös nicht verraten. Als guter Zoodirektor liege ihm jedes gleich am Herzen, sagt er, gibt dann aber doch zu, daß er bei den Nashörnern und Elefanten länger stehen bleibt. Draußen beim Fototermin kommt der indische Elefant Benni sofort angetrottet, als Klös ruft. Der Dickhäuter ließ für den Zoodirektor sogar seine Freundin stehen, mit der er ganz offensichtlich beim Liebesspiel war. Plutonia Plarre