DGB spricht von Erpressung

■ Neue DGB-Landesvorsitzende Bretz erhebt schwere Vorwürfe gegen Unternehmen im Osten/ Zwei Infobüros wurden gestern eröffnet

Berlin. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin hat Firmen in den neuen Bundesländern »kriminelle Methoden« und »Erpressungen« bei Entlassungen und Betriebsschließungen vorgeworfen. Häufig brächten Unternehmensführungen die Beschäftigten mit unlauteren Mitteln dazu, auf Sozialpläne und Kündigungsschutz zu verzichten.

Als Beispiel nannte der DGB einen kleineren Betrieb in Brandenburg mit zwölf Beschäftigten. Die Einzelhandelsfirma hatte ihren Mitarbeitern einen Zeitvertrag über sechs Monate angeboten — unter der Bedingung, daß sie ihr bisheriges Arbeitsverhältnis vertraglich auflösen. Anderenfalls hätten die Beschäftigten mit einer sofortigen Kündigung rechnen müssen. Sechs Monate sind besser als nichts, dachten sich wohl die Arbeitnehmer und verzichteten mit ihrer Unterschrift auf sämtliche Arbeitsschutzrechte, die ihnen nach zumeist 15jähriger Beschäftigung zugestanden hätten.

Die neue Berliner DGB-Vorsitzende Christiane Bretz erhob Vorwürfe gegen solche Methoden anläßlich der gestrigen Eröffnung zweier neuer DBG-Informations- und Beratungsbüros in Berlin-Mitte. Die Berliner Einzelgewerkschaften hatten die Errichtung solcher Beratungsstellen schon seit langem gefordert, doch der DGB-Bundesvorstand hatte die notwendigen Mittel erst im September bewilligt.

Für Bretz ist es eine »vordringliche Aufgabe« des DGB, »ein flächendeckendes Service-Netz in Berlin und Brandenburg aufzubauen, das die Rechtsberatung von Mitgliedern sichert«. Angesichts der herrschenden Rechtsunsicherheit in Ost-Berlin und Brandenburg forderte sie die Landesregierung in Brandenburg auf, »möglichst umgehend eine funktionierende Arbeitsgerichtsbarkeit in den neuen Bundesländern zu schaffen.« In Berlin und Brandenburg müsse für die beiden Länder eine gemeinsame Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit in zweiter Instanz errichtet werden, damit die Infrastruktur der Berliner Gerichte auch in Brandenburg genutzt werden können muß.

Die DGB-Vorsitzende fordert weiter, die Einkommen und Lebensverhältnisse in den beiden Bundesländern so schnell wie möglich anzugleichen. »Brandenburg kann nicht isoliert betrachtet werden, denn die Abstimmung findet mit den Füßen statt«, mahnte die Gewerkschafterin in Anspielung auf die Massenabwanderung von Ost nach West. Die Arbeitnehmer in Ost-Berlin und Brandenburg müßten Perspektiven bekommen, andernfalls würden die Pendlerbewegung und illegale Beschäftigungen weiterhin drastisch zunehmen. Der DGB beziffert die Zahl der allmorgendlich nach Berlin Pendelnden auf 150.000. Dazu kämen rund 100.000 illegal Beschäftigte — eine eher »niedrige Schätzung«, wie der DGB glaubt. lada