Momper: »Enttäuscht« über Diepgen

■ taz-Interview mit SPD-Chef Walter Momper/ »Herr Diepgen muß in Bonn die Finanzen sicherstellen«/ Die SPD könne nur »Unterstützung« anbieten INTERVIEW

taz: Herr Momper, am Mittwoch wollten Sie Innensenator werden, am Donnerstag Wirtschaftssenator. Welches Ressort streben Sie heute an?

Momper: Ich habe mich vier Wochen lang überhaupt nicht zu Personalfragen geäußert, die meine Person betreffen. Vor dem Abschluß von Koalitions- und Ressortvereinbarungen wäre das auch völlig unsinnig. Dann hat mich eine Journalistin einmal zitiert und zwar mit den zwei Präferenzen »Innen« und »Wirtschaft«. Das kann ich mir vorstellen und deshalb wäre es Quatsch gewesen, wenn ich »Nein« gesagt hätte. Ich will diesen Äußerungen überhaupt nichts hinzufügen.

Der Neuköllner Bürgermeister, Ihr Parteifreund Frank Bielka, hat die SPD aufgefordert, sich verstärkt mit den Ursachen der Wahlniederlage am 2. Dezember zu beschäftigen.

Meine Überzeugung ist, daß die Programmatik der SPD unverändert richtig ist. Was wir nicht richtig erkannt haben, mich inbegriffen, ist die tiefe Verunsicherung der Berliner durch das Zusammenwachsen hier am Ort. Keine alte Orientierung gilt mehr, am Arbeitsplatz, beim Verkehr.

Nun meinen einige Sozialdemokraten, der Senat habe selbst Fehler gemacht, er habe zum Beispiel die Verunsicherung der Menschen durch die wachsende Kriminalität übersehen.

Ich glaube nicht, daß der Senat hier in der Sache etwas versäumt hat. Was vom Senat, aber auch von der SPD als Partei, versäumt worden ist, das ist der Dialog mit der Öffentlichkeit. Das gilt nicht nur für diesen Bereich, sondern auch für die Verkehrspolitik, etwa für die Propagierung von Busspuren.

Was sollen denn zukünftig die Schwerpunkte der SPD werden?

Neben der sozialen Abfederung der Veränderungen gibt es drei Bereiche, in denen die Hauptprobleme in den nächsten Jahren bewältigt werden müssen. Das sind erstens der Komplex der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, dann Stadtentwicklung, Bau- und Wohnungspolitik, drittens Umwelt und Verkehr. Natürlich wird die SPD einige der betreffenden Ressorts bekommen müssen.

Wo soll das Geld herkommen?

Herr Diepgen als der zukünftige Regierende Bürgermeister muß wissen, welche Maßnahmen er ergreift, um die nötigen Finanzen sicherzustellen, er muß einen Termin bei seinem Parteifreund, Herrn Kohl, bekommen. Ich habe meine Unterstützung angeboten.

Hat Diepgen Sie schon mal um diese Hilfe gebeten?

Bisher hat er mich noch nicht gefragt.

Wird die SPD die Koalitionsvereinbarung abschließen, auch wenn bis zur Kanzlerwahl in Bonn kein Termin zustande kommt?

Am 13. Januar sollen in Bonn die Koalitionsverhandlungen über Finanzfragen abgeschlossen sein. Dann wird man mehr wissen und muß die Koalitionsvereinbarung dem neuen Stand anpassen.

Bisher hat die SPD als Voraussetzung für eine Koalitionsvereinbarung Verhandlungen in Bonn verlangt.

Wir halten das für nötig. Woher soll denn sonst das Geld kommen. Und wir sind enttäuscht darüber, daß Herr Diepgen bisher keinen Termin beim Bundeskanzler bekommen hat.

Die CDU sagt, Diepgen führe Gespräche mit Kohl.

Aber nicht über die Finanzfragen. Und bis zum 13. Januar muß das sein, danach ist in Bonn Schluß. Interview: Hans-Martin Tillack