US-Kongreß „völlig durcheinander“

■ US-Kongreß will sich in Golffrage nicht festlegen/ Auflösung der alten Fronten bei allen Fraktionen

Über hundertmal haben die USA in ihrer noch so jungen Geschichte im Ausland ihre Truppen eingesetzt. Aber nur in vier Fällen waren diese kriegerischen Aktivitäten vorher vom Kongreß abgesegnet worden. Seit Wochen schon verlangen die Volksvertreter lautstark jenes Mitspracherecht, das ihnen auch der gegenwärtige Präsident bisher (siehe Panama) verweigert hat. Doch wenn sie sich dann konkret auf eine Parlamentsdebatte und vielleicht gar auf einen Abstimmungstermin einigen müßten, dann werden die 635 Mitglieder aus Senat und Repräsentantenhaus gleich erheblich kleinlauter.

Zuerst war man, Gott sei Dank, in den Parlamentsferien und konnte aus dem heimischen Distrikt lautstark nach Mitsprache rufen, ohne in Gefahr zu laufen, nach Washington zu müssen. Und jetzt, so der demokratische Mehrheitsführer im Senat, George Mitchell, am Donnerstag, wolle man vor Beginn der Debatte lieber noch das eventuell anstehende Treffen Baker-Asis abwarten, um der Bush-Administration nicht in den Rücken zu fallen.

Die vornehme Zurückhaltung der Volksvertreter hat ihren innenpolitischen Grund: denn nachher, wenn im Irak „alles getan ist“, oder die US- Truppen im Wüstensand festsitzen, will hierzulande niemand mit einer falschen Abstimmungsentscheidung dastehen, sei es als Kriegstreiber oder als „peacenik“. So wie sämtliche Präsidentschaftsbewerber Kandidatur und Wahlkampf bis auf die Zeit nach dem Golfkonflikt verschieben, so möchten auch die Volksvertreter in so unsicheren Zeiten lieber auf einen allzu festen Standpunkt verzichten.

Am Donnerstag morgen noch hatten die von George Bush geladenen Kongreß-Führer ihrem Präsidenten unmißverständlich erklärt, er dürfe die US-Truppen ohne die Zustimmung des Kongresses überhaupt nicht in den Kampf schicken. Unterstrichen wird diese Verfassungsinterpretation der Rolle des Präsidenten als obersten Befehlshaber durch einen von 127 Juraprofessoren gezeichneten Brief, den Senator Edward Kennedy am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgelegt hatte. Überzeugt, so Senator Mitchell nach der Begegnung mit Bush, habe man den Präsidenten allerdings nicht. Der demokratische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt, verließ das Weiße Haus sogar in dem Glauben, Bush „neige der Seite zu, die den Krieg lieber früher als später wolle“.

Doch kaum waren die Senatoren und Repräsentanten am Donnerstag nachmittag im Kapitol wieder unter sich, ging der Streit um die eigene Zivilcourage schon wieder los. Als die Senatoren Harkin und Adams gleich an diesem ersten Sitzungstag eine Resolution diskutieren wollten, die George Bush vor einem Angriff auf den Irak eine „explizite Bewilligung“ abverlangte, hatten es Mitchell und die anderen Führer plötzlich nicht mehr so eilig. „Wir sind völlig durcheinander“, kommentierte der republikanische Minderheitsführer Senator Robert Dole den Streit. „Wenn wir debattieren sollten, sind wir im Urlaub; und jetzt, wo wir schweigen sollten, wollen wir plötzlich abstimmen.“

Zu einem Standpunkt rauften sich zumindest die Demokraten am Ende dann doch zusammen. Eine Resolution nach dem Muster der Vereinten Nationen, die Präsident Bush zur Vertreibung des Irak aus Kuwait ohne jede zeitliche Begrenzung die Anwendung „angemessener Mittel“ zubilligt, werde der Kongreß auf keinen Fall verabschieden.

Die historische Unfähigkeit des US-Kongresses, eine außenpolitisch kohärente Position zu beziehen, hat sich seit der Auflösung der ideologischen Lager im letzten Jahr noch verstärkt. In Sachen Saddam Hussein findet sich heute der rechte Demokrat Senator Sam Nunn mit Kriegsgegnern aus der Vietnamära auf einer Seite, während ihnen aus dem gegnerischen Lager linke, aber israeltreue Demokraten zusammen mit traditionellen Republikanern entgegenblicken. Und dann gibt es noch die extrem rechten, isolationistisch gesinnten Konservativen, die eigentlich auf den Antikriegsmärschen radikaler Linker mitmarschieren müßten. Rolf Paasch, Washington