»Dafür bin ich der Beste«

■ Christian Specht, Berlins liebste Nervensäge, will die Stadt vor Diepgen retten

Christian Specht, der mit Holzkamera- und Mikrofon zu Berühmtheit gelangte, ist mehrmals wöchentlich zu Besuch in der taz und deshalb in allen Abteilungen beliebt und berüchtigt. Mal kommentiert er lautstark die realpolitisch versumpfte Redaktionskonferenz, mal verlangt er kurz vor Redaktionsschluß im größten Arbeitsstreß Schere, Filzer, Schere und Papier um damit einen seiner diversen »Presseausweise« (taz, Radio 100, ZDF...) zu basteln oder eine neue Sammelbüchse für seine Spendenaktionen; mal verschreckt er taz- Neulinge mit seiner gnadenlosen Knuddelbereitschaft. Christian, herzensguter Brocken und Nervensäge zugleich, wird heute 22 Jahre alt. Anläßlich dieses Ehrentages gab er der taz folgendes Interview.

taz: Früher hattest du die Holzkamera und deine Ausweise, jetzt sieht man dich immer mit Sammelbüchsen. Für wen sammelst du?

Christian Specht: Ich habe für Radio 100 und die besetzten Häuser gesammelt.

Wieviel ist das so im Schnitt?

Manchmal sind Hundert Mark zusammengekommen, manchmal auch nur dreißig.

Aber jetzt willst du das Sammeln lassen.

Ja, ich werde mich demnächst als Bürgermeister vorstellen. Berlin braucht jetzt sehr dringend einen neuen Bürgermeister. Die Obdachlosen, die brauchen doch auch eine Wohnung, nicht bloß die Russen. Soviele Häuser stehen leer. Ich habe mir da ein Konzept überlegt: Man fängt einfach mit einem leerstehenden Haus an, in das Obdachlose einziehen. Das Haus wird dann renoviert. Aber zügig. Dann kommt das nächste Haus dran. Es wird sofort verhandelt werden, nicht wie bei Eberhard Diepgen, der gleich die Häuser räumt. Dafür bin ich der beste Mann. Diepgen hat keine Ahnung. Und bei Momper hat die Mainzer Straße das gleiche gezeigt. Er hat gesagt, die Besetzer sind alle Gewalttäter. Das war natürlich nicht so. Auch die Polizei war gewalttätig. Die haben auch mit angefangen.

Du bist ja auf fast allen linken Demos — wie kriegst du raus, wo was los ist?

Übers Radio. Ich habe auch Informanten, deren Namen ich aber nicht nennen kann.

Du bist ja mehrmals wöchentlich bei uns. Wen besuchst du noch?

Bei euch, bei Radio 100, bei der AL in der Badenschen Straße oder im Rathaus. Bei SPD-Sitzungen laufe ich hinter Momper her um ihm zu sagen, ich bin der Chef.

Was würdest du als Bürgermeister noch anders machen?

Mehr Grünflächen, da haben wir zuwenig davon. Die Busspuren müssen bleiben. Und keine Unterdrückung von Ausländern. Ausländer haben das gleiche Recht, hier zu leben, wie Deutsche.

Was machst du noch außer deiner Bewerbung als Bürgermeister?

Ich suche schon jahrelang Arbeit, aber ich komme an keine heran. Ich habe zwar mal in einer Behindertenwerkstätte gearbeitet, aber das war Ausbeutung, zuwenig Geld. Wenn man zu spät kam, wurde noch was abgezogen.

Wie siehst du deine Chancen?

Wenn die Berliner mich wollen, werde ich gewählt. Ich bin gerne bereit, mit den Berlinern zu reden. Mit denen, die Kummer haben. Interview: kotte