Wo die Urpferdchen ertrinken

Frankfurt (taz) — Den Urpferdchen könnte es ja egal sein — sie sind ohnehin ausgestorben, und das schon 30 Millionen Jahre. Daß die hundegroßen Tierchen nach so langer Zeit dastehen wie die begossenen Pudel, ist einer landespolitischen Wasserschlacht geschuldet, die eher in Schilda als im Eozän oder gar im neuzeitlichen 20. Jahrhundert angesiedelt sein könnte. Tatsächlich liegt die Ölschiefergrube Messel in Hessen, gleich südlich von Frankfurt und ist ein Mekka für PaläontologInnen aus aller Welt. Wie zwischen den Blättern eines steinalten Geschichtsbuches lagern in den hauchdünnen Schichten des konservierenden Ölschiefers die Fossilien all jener Tiere, die sich als Urahnen der Säugetiere entwickelten, nachdem sich die Dinosaurier schon verabschiedet hatten. Im jahrzehntelangen Streit um die Grube, die eigentlich als Müllkippe genutzt werden sollte, war viel die Rede von „Denkmal der Menschheit“, „kultureller Barbarei“, „unersetzlichem Naturerbe“, ehe sich die Politik von Rot-Grün bis nachfolgend CDU/FDP dazu entschloß, das Gelände nicht dem Hausmüll zu überlassen, dem Stoff, den Archäologen frühestens in 3.000 Jahren wieder interessant finden werden.

So weit, so gut. Wäre da nicht das Geld. 63 Millionen Mark, rechnete der Besitzer der Grube, der Zweckverband Abfallverwertung Südhessen (ZAS), der Landesregierung vor, habe er vorab in das Projekt gesteckt. Er verlangte unter Vorsitz des SPD-Landrates Klein 36,6 Millionen davon aus dem Steuersäckel zurück. Doch vorläufiger Höhepunkt der Affäre sind tägliche Wasserstandsmeldungen. Die ZAS stellte zum Jahresanfang die Pumpen ab, die den Grund des 60 Meter tiefen Loches regelmäßig trocken hielten.

Am Rande des Abgrunds sammelten sich die grabungsleitenden Wissenschaftler, blickten mit Grabesmiene auf den sich ausbreitenden See hinab und murmelten, für ihre sonst eher leise und zurückhaltende Art fast laute, Kritik. Umweltminister Weimar gab sich beleidigt und warf dem ZAS vor, er wolle während laufender Verhandlungen durch diesen unfreundlichen Akt den Preis für die Grube hochtreiben. Der ZAS wiederum behauptete, der Minister habe ihn hingehalten, Termine, Auskünfte und Unterschriften unter verbindliche Verträge verweigert, um die Kaufsumme zu drücken. Währenddessen steigt das Wasser still und stetig. Wenn es demnächst die glitschigen Böschungen untergraben haben wird, können die Paläontologen im Sommer wenigstens baden gehen. Urmel Platen