Wachsende Repression gegen GIs

■ Auch auf Angehörige von bereits abkommandierten US-Soldaten wird Druck ausgeübt/ Ranghohe Militärs beklagen Beeinträchtigung der Moral der Truppe durch Verweigerer

Während am Sonntag die ersten deutschen Soldaten in die Nähe der Krisenregion am Golf aufgebrochen sind, reagiert die US-Armee zunehmend gereizter auf Militärangehörige, die sich weigern, ihrem Marschbefehl an die mögliche Front Folge zu leisten. Hatte etwa der Kommandeur der Bitburger Luftwaffenbasis, John Judd, noch vor zwei Wochen lakonisch erklärt, er wisse von Kriegsdienstverweigerern nur aus der Zeitung, so räumen ranghohe Militärs mittlerweile ein, daß die Moral der Truppe durch Kriegsdienstverweigerer „beeinträchtigt wird“. „Wahrscheinlich ahnen sie gar nicht, wie stark der psychologische Eindruck auf die Kameraden ist, die noch unentschlossen sind“, sagte ein US-Soldat gegenüber der taz.

Je näher die Deadline zu einem möglichen Krieg heranrückt, desto rabiater versucht die US-Armee, ihre Leute an die Front zu kriegen. Das im US-Armeegesetz verbriefte Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist seit Ausbruch des Golfkonflikts suspendiert. Ist eine Einheit in Alarmbereitschaft versetzt worden, können die Verweigerer legal mit an die Front geschleppt werden — notfalls mit Gewalt. In Alarmbereitschaft befinden sich viele der US- Einheiten in der Bundesrepublik aber häufig schon seit Monaten. Das Anerkennungsverfahren, das laut Armeegesetz maximal neunzig Tage dauern darf, wird so ins Unendliche verschleppt. Hinzu kommt ein von Friedensorganisationen und US-Soldaten häufig beklagter Trick: Die schriftlichen Anträge auf Verweigerung werden über Wochen nicht beantwortet, und auf Nachfragen heißt es regelmäßig, sie seien nicht eingegangen, das Anerkennungsverfahren somit noch nicht eröffnet. Über die Anerkennung befindet zudem als oberste Instanz ein ausschließlich aus Militärs zusammengesetztes Gremium in den USA.

Selbstverstümmelung und Selbstmord

In dem Maße, wie die rechtlichen Möglichkeiten, einem Einsatz als Kanonenfutter zu entgehen, eingeschränkt werden, nimmt die Zahl von Verzweiflungstaten zu. Nach taz-Informationen hat es auch in der Bundesrepublik bereits mehrere Fälle von Selbstverstümmelungen gegeben, um einem Fronteinsatz zu entgehen. Ein GI stürzte sich die Treppe hinunter und brach sich den Arm, ein anderer zertrümmerte in purer Verzweiflung seinen Fuß mit einer Eisenstange. Wird ein solcher Fall bekannt, droht möglicherweise ein Verfahren wegen „Destruction of US-Government Property“ — Zerstörung von Regierungseigentum — damit kann wohl nur die „Wehrkraft“ gemeint sein.

In Saudi-Arabien hat es unterdessen nach einem Bericht des Soldatensenders AFN den ersten Selbstmord gegeben. In der BRD werden in verschiedenen Krankenhäusern im Frankfurter und im süddeutschen Raum US-Soldaten behandelt, die Selbstmordversuche unternommen haben. Auch auf Angehörige von bereits abkommandierten Soldaten wird Druck ausgeübt. Die Frau eines an den Golf abkommandierten Nürnberger GIs hatte nach Angaben der Deutschen Friedensgesellschaft/ Vereinigte Kriegsdienstgegner bei einem offiziellen Angehörigentreffen lediglich die rechtlichen Möglichkeiten einer Kriegsdienstverweigerung angesprochen — mit folgenschweren Konsequenzen: Die Standortverwaltung teilte der Frau mit, daß die Einheit ihres Mannes von ihren Aussagen unterrichtet wurde. „Konsequenzen“ für ihren Mann wurden angedeutet. Zudem habe die Militärpolizei versucht, die Wohnung der Frau zu durchsuchen.

Trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen werten die in der Bundesrepublik aktiven Anlaufstellen für US-Soldaten die Wirkung ihrer Aktivitäten positiv. „Wir haben schon heute, bevor der erste Schuß gefallen ist, eine ebenso große Sensibilität in der Öffentlichkeit wie auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges“, resümiert etwa André Stoner vom Military Counseling Network (MCN). Im bayerischen Ansbach sorgt der Fall eines jüdischen Kriegsdienstverweigerers für Aufsehen, der von seinen Vorgesetzten den väterlichen Rat bekommen hatte, seine Religion am Golf besser zu verschweigen, da es ihm sonst passieren könnte, von den saudiarabischen „Verbündeten“ exekutiert zu werden. Dennoch sollte er gegen seinen Willen an die Front geschickt werden. Thomas Krumenacker