HOMO-FREUDENINBERLIN-MITTE

ABWICKLUNGDESHDJT  ■  RETTET DAS CAFÉ ROSA!

Lesben und Schwule, so unterschiedlich sie auch sind, erkennen sich an bestimmten Zeichen und Symbolen. Eines davon ist die Farbe Rosa, mit der die Nazis ihre Winkel in den KZs versahen. Heute ist Rosa nicht nur Ausdruck politischer Bewegung, sondern gleichfalls von Sinnes- und Gaumenfreuden: Nicht zufällig sind meine beiden Lieblingslokale in Berlin-Mitte das Café Rosé in der Leipziger Straße und das café rosa im Haus der jungen Talente (HdjT).

Bei aller Namensgleichheit muß man sich unter beiden Cafés aber etwas ganz anderes vorstellen: Während im Rosé eher ältere und versteckter lebende Homosexuelle an Cognac und Törtchen nippen, gammelt in rosa bei Lesungen oder Diskussionen mehr das alternative schwul-lesbische Volk. Nichtkommerzielle Homo-Kultur wurde dort im vergangenen Jahr mit einem gemütlichen Treffpunkt verbunden. Güldene Leuchter, Marmortischchen und rosa Wände hingegen sind es, die die Gemütlichkeit des Rosé bedingen, das schon vor der Wende mein Geheimtip war.

Gleich ist beiden Etablissements die heterosexuelle Organisation: Während im Rosé an die gefüllten Geldbeutel vieler Homo-Männer gedacht wird, managed HdjT-Hetera Janina Schreiber neben dem café rosa auch andere Homo-Veranstaltungen, wie das Doppelfenster-Tanzvergnügen im Rosa Keller und einmal im Monat die Schwule Disconacht mit Mann-O-Meter. Ihre Motivation: Lesben und Schwule findet sie »spannend und interessant«.

Interessant aber ist vor allem die gänzlich unterschiedliche Situation beider Einrichtungen nach der Vereinigung: Während das einstige HO-Café Rosé im Februar privatisiert wird und damit einer sicheren Zukunft entgegensieht, hätte die Privatisierung des HdjT für alternative Kultur das sichere Aus bedeutet. Der Beschluß des Senats, das HdjT zwar als Spielstätte zu erhalten, es aber nicht weiter zu subventionieren, macht die Situation nicht besser. Bis Juni soll das Haus in eine landeseigene GmbH überführt, ein neuer Direktor eingesetzt und 50 Stellen abgewickelt werden. Janina Schreiber hatte zwar Glück und darf zumindest noch sechs Monate weiterarbeiten, offen ist dabei nur wie. Zum einen muß sie nun ohne technische Unterstützung auskommen, zum anderen möchte sie nicht mehr betreute Bereiche nicht vernachlässigen.

Damit das HdjT als alternatives Kulturzentrum mit lesbisch-schwulen Inhalten erhalten bleibt, ist Druck von außen notwendig, sowohl gegenüber dem Senat als auch gegenüber dem neuen Direktor. Schon heute Abend gibt es im café rosa die Gelegenheit, Näheres über die Situation des HdjT zu erfahren und mit Janina Schreiber Zukunftspläne zu entwickeln.

Ins Café Rosé wiederum werde ich mich schon am Nachmittag begeben: Um mich in gleichfalls netter Umgebung mit einem Stück Heidelbeer-Sahnetorte für die Diskussion zu stärken. Micha Schulze

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