Schaumschnecken und Mühlenmonster

■ Puppen-Theater-Film-Festival in Spandau

Die jährliche Tagung des Verbandes Deutsche Puppentheater e.V., der berufsständischen Vertretung der professionellen Figurenspieler, trifft sich dieses Mal in Berlin; es »wird erwartet, daß sich die Puppenbühnen aus der ehemaligen DDR dem Verband anschließen«, hieß es bereits im Ankündigungstext, denn die DDR-Puppenspieler hätten »einige Schwierigkeiten mit der Marktwirtschaft«. So dient das um die Tagung gestrickte Kulturprogramm in Form von Puppentheater, Puppenfilmen und Puppenfigurenausstellungen im Kulturhaus Spandau vor allem der Selbstdarstellung des Verbandes. Gleichzeitig wirbt das mobile Museum Fantasiegestalten im Figurenspiel, das im Erdgeschoß des Kulturhauses Theater- und Filmfiguren zeigt, um ein festes Haus in Berlin.

Von RTL-Kinderschmeichler Lila Launebär bis Sesamstraßen- Aristokrat Uli von Bödefeld tummeln sich hier die Schaumstoff-, Fell- und Stoffserienstars; die Augsburger Puppenbühne schickte allerdings nur ein Starlet ins Rennen — statt der Muminmutter hätte man doch Urmel oder mindestens die Blechbüchsenarmee erwartet. Gehäkelte Wollresteverwerter finden zuweilen auch ihren Weg ins Theater, als »kleiner Troll« und »großer Zottel« (Optical Figurenbühne Stuttgart), eigentlich residiert im Theater jedoch das hölzerne Bengele. Meister in diesem Fach ist der Puppenschnitzer Jürgen Maße, sein Kind ein wahrhaft böser Geist Fitzliputzli, mit scharfkantigem Nasenkinn, was je nach Beleuchtung mehrere Holzgesichter herausspringen läßt.

Eine zweite Ausstellung im dritten Stock des Kulturhaus Spandau Puppets & Filmcreatures widmet sich den TV-Klappmäulern und Filmmonstern von Peter Röders. Der gelernte Heilpädagoge rüstete in den Siebzigern zum eingetragenen Puppenbauer um und gilt seitdem als wichtiger Lieferant für die öffentlich-rechtlichen Kinderstuben. Nebenbei geht er mit eigenem Theater auf Tournee und hält Seminare für professionelle Puppenspieler. Für die Sesamstraße schlüpfte Röder ins selbstgebastelte monitorverschaltete Samsonfell, für den Herrmann-van- Veen-Film Clown entwickelte er monumentale Giftzwerge aus Mehrkomponentenschaum, in denen man, auf einer Art Kindersitz angeschnallt, nur sitzend voranrobben kann. Ein Zweikomponentenweichschaum-Willy-Brandt mit Latexhaut, der samt Negativform als Hardware auf der Puppenbauerwerkstatt bereitliegt, soll nicht mehr zum Einsatz kommen — Auftraggeber RTL nahm von seinem Spitting- Image-Verschnitt wieder Abstand. Als Technikwunder läßt sich ein augenrollendes »Freßmonster« (auch aus Clown) vorführen: über ein kleines Pult verdrehen sich die Pupillen und schließen sich die dicken faltigen Lider. Im Film kann das Monster aber noch mehr: Es tut sich riesige Kirschen in einen Kaffemühlenaufsatz auf der Stirn, worauf sich nicht nur die Augen genußvoll verdrehen, sondern auch eine Kurbel zu mahlen beginnt und ein blutigroter Saft in den Schlund herunterrinnt. Dem »Freßmonster« schauen rüsselbewehrte und langohrige, behaarte »Kannibalenmonster« zu, finstere bullenartige Gesellen in undefinierbarer Uniform. Ihr Innenleben enthüllt sich als Taucheranzug mit sensorgesteuerten Drahtextremitäten dar, die billigere Variante einer Innensteuerung fordert allerdings den koordinierten Handbetrieb des Monsterführers. Geringere Anforderungen an den Puppenmechaniker stellen gelbe Schaumstoffnacktschnecken, die sich mit Hilfe von Stangen aufs allerliebste in der Leibesmitte beredt verbiegen und verknoten oder auch ein überlebensgroßer Pinguin für die Düngemittelwerke Campo Guane. DoRoh

Die Ausstellungen »Fantasiegestalten im Figurenspiel« und »Puppets&Filmcreatures« bis 11. Januar täglich 11 bis 21 Uhr, 12. und 13. 1. 16 bis 19 Uhr im Kulturhaus Spandau, Mauerstr. 6 in Spandau. Bis 30. 1. Filmreihe »Internationale Puppenfilme« im Kino Topas, bis 13. 1. Figurentheater-Festival im Kulturhaus Spandau; Termine siehe Programmteil.