Ziemlich kurios

■ Neuer Bildband von Doisneau: Werksfotografie in den dreißiger Jahren

Als Fotograf großartiger Szenen an unscheinbaren Schauplätzen ist er bekannt geworden. Robert Doisneau, jetzt 78 Jahre alt. Lange bevor er in den Vororten von Paris zu seinem Thema und damit zu seinem Stil fand, war Doisneau in den dreißiger Jahren einer der Werksfotografen bei Renault. Ein Querschnitt seiner Arbeit aus jener Zeit wird jetzt in einem Bildband vorgestellt.

Der große Teil des Bildmaterials ist ziemlich kurios. Denn Werbung wurde damals noch nicht professionell betrieben. Vom Werk in Billancourt fuhr man einfach mit einem Wagen in den Bois de Bologne: die „Models“ waren schlanke Sekretärinnen und kernige Angestellte. Sehr merkwürdig: Während die Formen der Autos längst eine eigene Handschrift haben, sogar sehr elegant wirken, sind die Gesten des Chics und des Amüsements äußerst amateurhaft gestellt — wie im Kino.

Härter, aber auch nicht ohne doppelten Boden, sind die Fotografien aus dem Produktionsprozeß. Sie zeigen die Arbeiter und Arbeiterinnen an den Fließbändern, an Maschinen. In Gegenwart des Fotografen machen sie gute Miene zum bösen Spiel. Man ahnt jedoch, daß hier Körper brutal verschlissen wurden. Wie in der industriellen Produktion der Einzelne zum Teilchen des Apparates wird, zeigt suggestiv eine Aufnahme aus der Werkskantine, auf deren Tischen — bevor die Arbeiter und Arbeiterinnen kommen — Geschirr und Flaschen bereitgestellt sind: wie am Fließband. Dieses Foto allerdings hatte Doisneau nicht im Werksarchiv hinterlassen; es ist eine persönliche Ergänzung der offiziellen Geschichte der Fabrik.

Michael Koetzle, der das Buch herausgegeben hat, erzählt die Geschichte des Bürgersohns Doisneau, der sich vier Jahre bei einer Graveurlehre langweilt, bevor er ausbricht und Fotograf wird, ein unmöglicher Beruf. Mit der Geschichte des jungen Doisneau kontrastiert Koetzle die Erfolgsgeschichte von Louis Renault, einer Karikatur vom ehrgeizigen Unternehmer, der seine Arbeiter mit der Stoppuhr verfolgt. Die Innensicht der Renault- Werke ergänzt der Autor mit ein paar Zitaten von Simone Weil — die allerdings läppisch sind gegen die drastische Sprache Doisneaus, der sich lebhaft an die Zeit bei Renault erinnert. [Anm. d. Red.: Wir drucken einige Auszüge; der Doisneau-Text befindet sich ebenfalls im besprochenen Bildband.] Ulf Erdmann Ziegler

Robert Doisneau: Renault — Die Dreißiger Jahre , Herausgeber: Michael Koetzle. Nishen Verlag Berlin, 38 DM.