Power ist Trumpf

■ Kubas Frauen gewannen Bremer Volleyballturnier

Moral und Einsatzbereitschaft, das stimmte heute.“ Als der neue Bundestrainer der Volleyballfrauen, Siegfried Köhler, die knappe 2:3-Niederlage gegen die Niederlande kommentierte, schien er zum ersten Mal rundum zufrieden. Zwar hatte er beim 12. Internationalen Volleyballturnier in Bremen mit seiner Frauschaft auch nur einen vierten Platz erreicht wie sein Vorgänger Mathias Eichinger, aber Köhler hatte auch ganz andere Voraussetzungen.

Zu beneiden ist der Excoach der DDR-Auswahl nicht gerade, denn alle Welt erwartet von ihm und seinen Spielerinnen Großes. Die Leistungsstützpunkte Schwerin, Berlin und Leipzig vereinigt mit Lohof, Feuerbach und Münster, das mußte doch einen Qualitätsschub geben. Schließlich bereitet sich die deutsche Frauschaft auf die Europameisterschaft in Italien vor, somit stand das erste gemeinsame Auftreten unter einem ganz besonders hellen Licht.

Aber auch beim Sport ist alle Theorie grau, von den gut 25 Namen, die Köhler auf seiner Liste hatte, konnte er 15 vorerst wieder streichen. Gerade die klingenden Namen der Exeuropameisterinnen aus der DDR fehlten in Bremen, so daß beim Auftaktspiel gegen Kuba (0:3) mal gerade Ines Pianka vom USC Münster als einzige ehemalige Ostdeutsche auf dem Feld stand. Spielerinnen wie Brit Wiedemann, Christine Groth oder Ute Kellner, allesamt Ersatzbankdrückerinnen im DDR-Team des letzten Jahres, kamen erst im Laufe des Turniers zum Einsatz.

Daß sich die neue Formation von Spiel zu Spiel steigerte und sich den Niederlanden nur im Tie-break mit 13:15 geschlagen geben mußte, ist zwar schön für die insgesamt fünfzehn Spielerinnen des Aufgebots, aber ob die gemeinsame Freude Bestand haben wird, ist fraglich. Ihnen im Nacken schweben Namen wie Ariane Radfahn, die jetzt in Italien Schmetterbälle zu Geld macht, ihre Schwester Constanze, sowie die Spitzenkräfte Arlt, Lahme, Naumann, Steppin, Baumeister und Vosbeck. Mit ihnen allein stünde eine schlagkräftige Frauschaft auf dem Feld. Doch sie sind entweder verletzt, haben gerade ein Baby bekommen oder sorgen sich derzeit um neue berufliche Perspektiven.

Das allgemeine spielerische Niveau des Bremer Turniers in diesem Jahr lag insgesamt etwas niedriger als noch vor Jahresfrist. Kuba verzichte auf das Sprungwunder Mireya Luis, der sowjetische Trainer Karpol ließ die Stars Parchomchuk und Smirnowa zu Hause („Ich weiß, wie die spielen, die brauche ich nicht zu kontrollieren“) und Chinas Auswahl, auf dem Papier immerhin Vizeweltmeisterinnen, war mit Juniorinnen erschienen.

So kann Bremen allenfalls als das bedeutenste Aufbauturnier jenseits der Großereignisse bezeichnet werden. Auch im Frauenbereich setzt sich immer mehr die Devise durch: Annahme, hoch auf die Außenposition spielen und dann mit voller Wucht den Ball über den Block donnern. Das sieht nicht gerade attraktiv aus, ist aber bei den Kubanerinnen, die drei 1,90 große Spielerinnen in ihren Reihen haben, höchst erfolgreich. Im Endspiel, daß sie gegen die UdSSR mit 3:2 gewannen bewiesen sie es deutlich.

Positive Veränderungen waren im Abwehrverhalten der großgewachsenen Teams zu beobachten. Was bei den Chinesinnen seit Jahren für Begeisterungsstürme sorgte, ist nunmehr auch den Europäerinnen nicht mehr fremd. Mit unglaublichen Reaktionen und einem hochentwickelten Antizipationsvermögen konnten besonders die Lieblinge des Bremer Publikums, die Niederländerinnen, begeistern. In athletischer Hinsicht wird sich das Frauenvolleyball über die Jahre zum kraftvollen Spiel der Männer entwickeln, das zeigten die fünf Tage von Bremen anschaulich. Kombinationsangriffe sind out — Power ist in. Feinnervige Volleyballästhetinnen werden umdenken müssen. Jürgen Francke