Keifende Naturburschen

Es gibt doch wirklich nichts Langweiligeres als Rekorde. Was soll verdammt noch mal interessant daran sein, eine bestimmte Strecke in einer kürzeren Zeit hinter sich zu bringen als ein anderer? Was soll dieser Quatsch mit den Schwimmweltmeisterschaften. Wenn sie Heringe zu den Wettkämpfen zulassen würden, sähen die humanoiden Schwimmer ganz schön alt aus.

Am schlimmsten sind jedoch die Naturburschen, Reinhold Messner und Konsorten. Denen geht jedesmal einer ab, wenn sie ohne Sauerstoffmaske auf einen Berg klettern oder eine Eiswüste durchqueren dürfen. Untereinander sind sie sich spinnefeind. An der Spitze kann es immer nur einen geben, also versuchen sie, sich gegenseitig fertig und die Erfolge der anderen madig zu machen. In Frankreich gibt's gerade wieder heftigen Streit um einen alpinistischen Rekord, der jedem normal Sterblichen scheißegal sein dürfte. Es geht um die Frage, ob der Jugoslawe Tomo Cessen wirklich am 24. April 90 im Alleingang und ohne Sauerstoff den 8511 Meter hohen Lhotse im Everest-Gebiet über die Südwand bezwungen und damit die schwierigste Himalaya-Tour der letzten Jahre, ja Jahrzehnte geschafft hat. Einige seiner Kollegen behaupten, daß er gelogen hat und werfen mit Dreck. So darf der Jugoslawe nicht in den feinen Hochalpinisten- Klub Groupe de Haute Montagne (GHM), dem exklusive Menschen angehören, die nichts anderes zu tun haben, als auf hohe Berge zu steigen.

Cessen hat von seiner Kletterei zwar ein Foto mitgebracht doch damit geben sich seine neidischen Kollegen nicht zufrieden. Der französische Staralpinist Ivano Ghirardini schrieb gleich einen langen Artikel, in dem er behauptet, ein einziges Fotos sei kein Beweis. Ein russisches Alpinistenteam schloß sich freudig dieser Meinung an. Der banale Hintergrund des Streits ist natürlich nicht Ruhm und Ehre, sondern das liebe Geld. Die Berufsbergsteiger hängen mit ihren teuren Expeditionen total von Sponsorfirmen ab. Die wollen natürlich Resultate sehen. Damit erklärt sich die Häufung spektakulärer Rekorde, wie Serien von Schnellstbesteigungen oder Alleingänge auf die höchsten Gipfel.

Dem Jugoslawen Cessen wird also nichts anderes übrig bleiben, als sich noch einmal auf den Weg zu machen. Diesmal muß er dann auch noch eine schwere Fotoausrüstung auf den Lhotse schleppen, damit die Sponsoren wieder zahlen und er wieder im Hochalpinisten-Klub seine Kollegen mit seinem Rekord langweilen kann. Karl Wegmann