Das „Lubitsch-Prinzip“

■ N3 präsentiert eine siebenteilige Werkschau des berühmten Komödienregisseurs

„Wir alle, die wir ihn verehrten — Leo McCarey, Preston Sturges, William Wyler — überlegten stets, wenn es um die komischen Elemente eines Films ging: ,Wie hätte Lubitsch es gemacht?‘“ Mit diesen Worten würdigte Billy Wilder, der einmal als Erbe Ernst Lubitschs bezeichnet worden ist, im Gespräch mit Adrian Turner seinen großen Kollegen, den Zeit seines Lebens und bis weit über den Tod hinaus von Kritikern, Kollegen und Publikum geschätzten Komödienregisseur.

1892 in Berlin geboren, strebte Lubitsch schon als Jugendlicher zur Bühne. Während er zunächst noch im Konfektionsgeschäft seines Vaters tätig war, nahm er nebenbei Schauspielunterricht, sammelte auf Amateurbühnen erste Erfahrungen und wurde schließlich 1911 auf Empfehlung Viktor Arnolds von Max Reinhardt verpflichtet. Lubitschs Bestimmung aber war der Film. Er arbeitete als Techniker hinter der Kamera, dann als Komparse und wurde schließlich der Star einer Reihe von Kurzfilmklamotten mit Titeln wie Meyer auf der Alm oder Die Firma heiratet. Ab 1915 führte er selbst Regie, schrieb eigene Skripts und bekam bald größere Aufgaben übertragen. Die nachfolgende Reihe von Kostümfilmen, meist opulent bebildert, mit den Stars jener Jahre besetzt und bereits rudimentär Elemente des später als „Lubitsch-Touch“ bekannt gewordenen Regiestils aufweisend, waren überaus erfolgreich und reüssierten sogar in Amerika. Mary Pickford wurde auf den jungen Deutschen aufmerksam und bat ihn nach Hollywood, um für sie und mit ihr den Film Rosita zu realisieren. Obwohl das Verhältnis zwischen Pickford und Lubitsch aufgrund künstlerischer Differenzen im Verlauf der Dreharbeiten ziemlich abkühlte, wurde der gemeinsame Film ein Kassenerfolg und brachte dem Deutschen einen Vertrag über fünf Filme mit den Warner Bros. Studios.

Der Erfolg blieb dem Künstler treu, und so genoß er, der als teutonischer Dickschädel verschrien war, eine Sonderstellung im durch und durch taylorisierten Studiobetrieb jener Jahre. Die Paramount Studios, für die er seit 1929 arbeitete, machten ihn sogar 1934 zum Produktionschef, eine Stellung, die weder ihm noch seinen Kollegen behagte. Die Regisseure, deren Arbeiten er produzierte, beklagten sich über seine rigiden Eingriffe, Zeichen dafür, daß Lubitsch lieber selbst inszenierte als zu managen.

1937 zog er die Konsequenz und tauschte den Büro- wieder gegen den Regiestuhl. Trotzdem muß er sich bei Paramount wohlgefühlt haben, denn es war das europäischste der Hollywood Studios, und Lubitsch wurde seit seiner Ankunft als europäischer Regisseur vermarktet. Bei Paramount traf er auf viele KollegInnen europäischer Abstammung, Emigranten und „Gastarbeiter“ wie Josef von Sternberg, Maurice Chevalier, Billy Wilder, Marlene Dietrich. Selbst der Produktionsdesigner der Paramount, Hans Dreier, war deutscher Abstammung, und er hatte einen nicht geringen Anteil am typischen Stil der Paramount, deren Mitarbeiter den „Lubitsch-Touch“ besser als die anderen Filmfabriken umzusetzen vermochten.

Dieser ominöse „Lubitsch- Touch“ war schon damals ein Markenzeichen, das, auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen herausgestellt, die Lubitsch-Filme verkaufen half. Der Slogan hat sich bis heute gehalten, wovon die schlechteren Filme des Regisseurs profitieren — wo „Lubitsch-Touch“ draufsteht, muß nach Meinung der Lubitsch-Afficionados auch Qualität drin sein, selbst wenn der Meister nur als Produzent fungierte. Wie dieser Inszenierungsstil genau zu definieren ist, wird noch immer berätselt. Billy Wilder, der gemeinsam mit Charles Brackett die Drehbücher der Lubitsch-Filme Blaubarts achte Frau und Ninotschka geschrieben hat, ist der Ansicht, Lubitsch habe das Geheimnis mit ins Grab genommen. Auf jeden Fall zeichnen sich die meisten Filme Lubitschs durch einen bewunderswert eleganten Inszenierungsstil aus, durch federleichten, scheinbar völlig unkomplizierten Umgang mit heiklen Themen. Lubitsch hegte und pflegte die Kumpanei mit den Zuschauern, wenn er zum Beispiel augenzwinkernd die in Sachen Erotik restriktive US-Zensur austrickste. Sein ausgefuchstes Spiel mit frivolen Andeutungen, aussagekräftigen Auslassungen und der vielsagenden Betonung scheinbarer Nebensächlichkeiten funktioniert noch immer und ist ein besonders reizvoller Aspekt seines Oeuvres. Lubitsch hatte das Regiehandwerk noch zu Stummfilmzeiten gelernt; er wußte mit Bildern umzugehen (seinen Stummfilmen wird nachgesagt, daß sie mit einem Minimum an Texttafeln auskamen), und dieses Vermögen setzte er später in seinen Tonfilmen ein, um die Dialoge der Schauspieler visuell, je nach Bedarf, zu unterstreichen, zu widerlegen oder zu entlarven, gleichsam pointiert zu kommentieren. Zum „Lubitsch- Touch“ gehörte zudem, neben massiver Einflußnahme auf die Drehbücher, auch die minutiöse Vorbereitung und punktgenaue Anweisungen für die Schauspieler. Nichts blieb dem Zufall oder der Interpretation der Darsteller überlassen; selbst alltägliche Gesten und banalste Tätigkeiten wurden von Lubitsch vor dem Dreh exakt festgelegt.

Der Filmexperte Enno Patalas machte sich schon 1971, lange vor der Wiederentdeckung Lubitschs durch die Programmkinos, daran, dem Geheimnis des „Lubitsch- Touch“ nachzuspüren. Sein Filmessay Ernst Lubitsch — Lektion in Kino eröffnet heute um 22 Uhr auf Nord3 eine Reihe von sieben Lubitsch-Filmen, die die ergiebigste Schaffensperiode des Regisseurs (zwischen 1930 und 1938) dokumentieren. Harald Keller

Ernst Lubitsch — Lektion in Kino, 9.1., 22 Uhr

Blaubarts achte Frau (Bluebeard's 8th Wife): 10.1., 20.15 Uhr

Eine Stunde mit Dir (One Hour With You): 17.1., 20.15 Uhr

Serenade zu dritt (Design for Living): 7.2., 20.15 Uhr

Ärger im Paradies (Trouble in Paradise): 28.2., 20.15 Uhr

Monte Carlo (Monte Carlo): 3.3., 15 Uhr

Engel (Angel): 9.3., 22 Uhr

Perlen zum Glück (Desire): 28.3., 20.15 Uhr