Ostwirtschaft wächst ganz langsam

■ DIW stellt Prognose für 1991 vor: Gewinner der Einheit sind die Westländer

Berlin (taz) — Die deutsche Einheit ist ein Glücksfall für die Wirtschaft in Westdeutschland, denn der Osten kam genau im rechten Augenblick als neues Absatzgebiet hinzu, als nämlich der Handel der alten Bundesrepublik mit dem Ausland Ende des Jahres deutlich zurückging. Vor allem die Vereinigung wird 1991, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner Jahresprognose, dem Westen ein Wirtschaftswachstum von ungefähr drei Prozent bringen.

Für die neuen Bundesländer korrigierten die Forscher ihre optimistischen Vorhersagen vom Herbst: „Die Strukturkrise wird erst Mitte des Jahres so weit gelöst sein, daß langsame Aufwärtsentwicklungen sichtbar werden“, so Manfred Teschner gestern bei der Vorstellung der Studie. Wobei die Betonung eher auf „langsam“ als auf „aufwärts“ liegt. Das DIW gilt nicht zuletzt deshalb als seriös, weil es die eigenen Prognosen nicht zu Wahrheiten erhebt, sondern deutlich macht, auf welchen Annahmen sie beruhen. Im Herbst gingen die Forscher noch davon aus, daß der Handel der neuen Länder mit Osteuropa gleichbleiben und die Löhne mit der Produktivitätsentwicklung „zumindest im Kontakt bleiben“ würden. Beides ist anders gekommen. Jetzt glaubt das DIW, daß der Handel mit den osteuropäischen Nachbarländern von dreißig auf zehn Milliarden Mark sinken wird.

„Die soziale Dimension der Arbeitslosigkeit“, so die DIW-Prognose weiter, wird im Jahr 1991 im Osten „noch viel größer, als es in der Zahl von drei Millionen Menschen zum Ausdruck kommt, die in diesem Jahr unmittelbar von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen sind“. Viele wanderten nach Westdeutschland aus (Teuschner: „Das ist Marktwirtschaft, auch wenn es vielen Ökonomen nicht gefällt“), viele — vor allem Frauen — verzichteten entmutigt auf die Suche nach Arbeit, andere würden vorzeitig in den Ruhestand treten.

Die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung ab Sommer hängt wiederum von mehreren Faktoren ab; vor allem von der Eigentumsfrage, der Lohnhöhe, der Wanderung qualifizierter Arbeitskräfte, der zügigen Verbesserung der Infrastruktur und dem Aufbau funktionierender Verwaltungen. Doch: „Der Fonds Deutsche Einheit reicht nicht einmal für die laufende Verwaltung aus“, konstatiert das Institut. Donata Riedel