„Die reichen Länder lassen uns die Zeche zahlen“

■ Interview mit Klaus Wedemeier über die geplatzten Verhandlungen zur Finanzierung der neuen Bundesländer

Gestern trafen sich die Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer in Bonn, um über eine zusätzliche finanzielle Beteiligung der alten Bundesländer beim Aufbau der Ex-DDR zu beraten. Wie schon bei einer ersten Verhandlungsrunde vor Weihnachten in München gingen die Ministerpräsidenten wieder ohne Ergebnis auseinander, obwohl die Finanzminister am Dienstag abend bereits mit großer Mehrheit für ein Finanzierungsmodell votiert hatten. Nach der Sitzung sprach die taz mit Klaus Wedemeier.

taz: Zwei Sitzungen, kein Ergebnis. Was sind die wesentlichen Differenzen zwischen SPD und CDU-Ländern?

Klaus Wedemeier: Die Finanzminister hatten ein Modell vorgeschlagen, den Fonds Deutsche Einheit zu erhöhen und zwar mit einer Mehrheit von 10 zu 5. Da waren also auch CDU-Stimmen dabei. Heute morgen ist das von den CDU-Ministerpräsidenten zurückgenommen worden. Die haben statt dessen vorgeschlagen, die Umsatzsteuer neu zu verteilen. Da die SPD-Länder sich auf den Beschluß der Finanzminister eingeschworen hatten, haben wir das nicht mitgemacht.

Wie erklärt Sie sich den Wankelmut der CDU-regierten Länder?

Nach dem Beschluß der Finanzminister war Dienstag abend beim Bundeskanzler ein Gespräch der CDU-Ministerpräsidenten. Da hat der Kanzler ihnen das wohl wieder ausgetrieben.

Was unterscheidet denn die beiden Modelle, die gegeneinander diskutiert werden?

Unser Vorschlag war, den Fonds 1991 mit sechs Milliarden zu bestücken. Drei sollte der Bund bezahlen, drei die Länder. Das hätte für Bremen eine Belastung von nur 3,6 Millionen im Jahr gebracht, weil das kreditfinanziert ist — allerdings über eine lange Zeit. Das Umsatzsteuermodell dagegen bringt den neuen Ländern nur drei Milliarden. Da es aber eine Barfinanzierung ist, eine Umverteilung vorhandener Steuern, hätte Bremen 42 Millionen pro Jahr aufbringen müssen.

Bundesfinanzminister Waigl hat vorgeschlagen, auch die Strukturhilfe für die finanzschwachen Länder zu streichen. Was würde das für Bremen bedeuten?

Das war heute kein offizieller Vorschlag der CDU-Länder, aber es gibt einige, die das wollen. Wenn man das macht, dann müßten die zusätzlichen Lasten nur von den strukturschwachen Ländern im Westen gezahlt werden. Wenn man die Umsatzsteuer-Neuverteilung und die Streichung der Strukturhilfe, das sind noch einmal 63 Millionen pro Jahr, zusammenrechnet, dann hieße das, daß in Bremen pro Kopf der Bevölkerung 675 Mark zusätzlich aufgebracht werden müssen. In Hessen sind das nur 200 Mark. Daran kann man erkennen, daß das ein Modell ist, bei dem die reichen Bundesländer sich darauf verständigen, daß die armen Länder die Zeche zahlen müssen.

Ist angesichts der Diskussion der ursprüngliche Zeitplan durchzuhalten, der vorsieht, den Länderfinanzausgleich erst 1995 neu zu regeln?

Rechtlich ist das vor dem 1.1. 1995 nicht hinzukriegen. Aber die Diskussion muß früher beginnen. Wenn Bremen und andere auf die Strukturhilfe verzichten sollen, dann muß ich wissen, wie das mit dem Länderfinanzausgleich am Ende aussieht.

Der Streit zwischen den Ministerpräsidenten soll am 28. Februar beigelegt werden. Welche Möglichkeiten zur Eingung gibt es überhaupt?

Zunächst gibt es zusätzliche Schwierigkeiten. Es gibt bislang keinen Bundeshaushalt. Wir kennen die Koalitionsvereinbarungen noch nicht. Und man hört, daß da auch noch einiges kommt. Wenn ich dem Glauben schenke, daß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden soll, und die Vermögenssteuer, dann kostet das Bremen noch einmal 160 Millionen im Jahr. Und wenn ich dazu Umsatzsteuer und Strukturhilfe rechne, dann bin ich bei 270 Millionen. Das bedeutet für Bremen und einige andere Länder, daß Haushaltssicherungsgesetze beschlossen werden müssen, weil wir dann den gesetzlichen Rahmen für die Kreditaufnahme ausgeschöpft haben und keine zusätzlichen Kredite mehr aufnehmen können. Mit Solidarität und gleichmäßiger Belastung hat das nichts mehr zu tun.

Wird es am 28. Februar eine Einigung geben?

So oder so. Der Kanzler hat versprochen, daß man auf jeden Fall den Versuch machen will, zu einer Eingung zu kommen. Er möchte mit uns enger zusammenarbeiten als bisher. So hat er sich jedenfalls ausgedrückt. Wenn man sich nicht einigt, kann die Koalition mit ihren Mehrheiten das durchstimmen. Sie müssen unser Ja-Wort nicht haben. Man kann da auch ganz brutale Machtausübung praktizieren. Fragen: Holger Bruns-Kösters