Teilkörperhygiene

■ Mein kleines Vorkriegs-Tagebuch: 4.Folge

9. Januar

Heute werden die Gespräche zwischen Asis und Baker scheitern. Programmgemäß.

Kurz vor Zero tritt eine neue Spezialistenspezies an: die Gesichtschirurgen. Eine Mutation aus Militärs und Ethnologen. Damit der Verlierer in Schönheit stirbt, lassen es sich die Futur-II-Sieger angelegen sein, daß er »sein Gesicht gewahrt haben wird«. Flankierende Hilfsmaßnahme: Androhung »chirurgischer« Schläge der US-Armee, auch begrenzter Kurzkrieg genannt, das heißt exemplarische militärische Kampfhandlungen, um den endgültigen Ernst der Lage klarzumachen.

»Du mußt das alles nicht so intellektuell grundsätzlich sehen«, nörgelt Christian, der seit seinem Neutronenbombenszenario leider auch zum Kreis der globalstrategischen Privatdenker gezählt werden muß. Seit zwei Tagen ist er schon um 7 Uhr auf den Beinen, kauft üppig Frühstück ein und — hat die 'Bild‘-Zeitung entdeckt. Der Spätentwickler.

»Noch sechs Tage bis zum Krieg am Golf. Die Welt hält den Atem an«, liest er mir vor. »Wenn man so lange den Atem anhalten kann, möchte ich mal wissen, wozu die dann die Gasmasken brauchen. Zumal man in den Dingern schwitzt. Hat der Reporter Rüdiger Straub in Israel ausprobiert. Erzählt auch, daß in Tel Aviv die besseren Kreise am 14. Januar Gasmaskenparties veranstalten. Die treffen sich abends zum Essen und warten dann gemeinsam auf die anfliegenden Raketen. Oder hier: Dich haben doch die 100.000 Leichensäcke so angesprochen, die die Amis in prophylaktischer Hygienemanie vor Ort geflogen haben. Der Krieg wird so grauenvoll sein, daß die GIs nicht nur, wie früher, eine Hundemarke am Hals tragen, sondern auch noch eine zweite Erkennungsmarke am linken Fuß. Dies soll dazu dienen, daß möglichst viele Körperteile von Gefallenen in ein und denselben Sack gelegt werden. Steht hier wortwörtlich. In dem Artikel über Stormy Normann ‘Bär‚ Schwarzkopf, den Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte. Weißt du, der so gerne mit seinem Hund, einem schwarzen Labrador, spielt. Der heißt auch Bär.«

»Können wir nicht mal übers Wetter reden«, schlage ich vor. Christian guckt hinter seiner Zeitung hervor (sieht der mich überhaupt?), sagt: »Moment mal. Wetter, ja hier. Wenn Hussein die 850 Ölquellen und Pipelines von Kuwait in Brand schießt, wird eine riesige Rauchwolke auch in Mitteleuropa die Sonne verfinstern. Folge: Temperatursturz um 25 Grad. Dann kriegen wir ja doch noch einen richtigen Winter... Übrigens, Baker hat acht Kinder, und Asis trägt immer einen mit Elfenbein besetzten Revolver unter dem Jackett. Das sind Bilder. Ich sag's ja: die Rückkehr zum Wort. Buchstabenkino.«

Idiotenmann, denke ich und tauche in mein Gewerkschaftsblatt ab. Eine internationale Frauenmedien- Vereinigung hat mutige Journalistinnen ausgezeichnet. Und wer kriegte den Preis? Eine amerikanische Pressefrau zum Beispiel, die fast einen Monat lang aus einem kuwaitischen Versteck über die irakische Invasion berichtet hat. Manchmal sind die Frauen leider wirklich noch blöder als die Männer. Die Preisgeberinnen wie die -nehmerinnen. Christel Ehlert-Weber