Das Gespenst des Separatismus geht um

Rumäniens mißtrauische und harte Haltung verhindert die Unterstützung der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen  ■ Aus Budapest Tibor Fenyi

Während des Zweiten Weltkriegs erhielt Ungarn von Hitlers Gnaden den nördlichen Teil Siebenbürgens zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam dann Rumänien, es war ja rechtzeitig von Hitlers Zug abgesprungen, ganz Siebenbürgen zugesprochen.

Der Friedensvertrag hat es den Ungarn verboten, das Wirken „irredentischer oder chauvinistischer Organisationen“ in ihrem Land zu gestatten. Bis 1987 durfte daher nicht einmal eine kulturelle Organisation für Siebenbürgen gegründet werden. Absurde Folge: Selbst Bücher, die sich mit der ungarischen Architektur im Mittelalter befassen, wurden in einer Form herausgegeben, als hätte Ungarn auch damals nur innerhalb seiner heutigen Grenzen existiert. Der Warschauer Pakt erlegte dem Mitgliedsland eine vollständige Amnäsie auf.

Es dauerte fünf Jahre, bis schließlich eine Stiftung in Budapest zugelassen wurde, die den Namen des mittelalterlichen Fürsten Siebenbürgens Gabor Bethlen trägt; diese Stiftung vergibt in Budapest Preise an Schriftsteller und Ethnologen. Anläßlich einer Tagung des Politischen Rates des Warschauer Pakts protestierten daraufhin die Vertreter Rumäniens, weil sich Ungarn, wie es offiziell hieß, auf diese Weise in die inneren Angelegenheiten des Landes einmische. Eine weitere Organisation entstand zwei Jahre später, bereits nach dem Sturz Kadars: die Kulturorganisation der Flüchtlinge aus Rumänien.

Nach dem Sturz Ceaucescus in Rumänien war es der Priester Laszlo Tökes, der eine dritte Vereinigung ins Leben rief, mit dem Ziel, den ungarischen Flüchtlingen ihre Rückkehr nach Rumänien zu ermöglichen. Dies aber brachte die Rumänen ganz besonders auf: Unter dem Einfluß der Nationalistenorganisation „Vatra Romanesca“ sollten ja möglichst immer mehr Mitglieder der ungarischen Minderheit aus Rumänien vertrieben werden. Das ungarische Kabinett weiß genau, daß es seine bisherige Zurückhaltung aufgeben müßte, doch schon der kleinste Schritt löst heftige Angriffe in der rumänischen Presse aus.

Jetzt wurde Balazs Horvath, Ex- Innenminister Ungarns, zum Leiter des „Sekretariats der Ungarn im Ausland“ ernannt; eine Organisation dieser Art hat es früher nie gegeben. Dafür existierten im Untergrund vornehmlich von den Kirchen unterstützte Hilfsorganisationen, die an den rumänischen Behörden vorbei Medikamente, Lebensmittel und andere Güter nach Siebenbürgen schafften. Die Ungarn wollen die Hilfeleistungen hauptsächlich wegen der Korruption der Behörden nicht über staatliche Kanäle in Rumänien verteilen. Sämtliche Parteien im Parlament und die ungarische Regierung gaben Erklärungen ab, in denen sie sich gegen eine Revision der Landesgrenzen mit Hilfe von Gewalt aussprachen.

Dies aber brachte auf rumänischer Seite nicht zum ersten Mal eine recht nervöse Reaktion hervor: Nach deren Lesart bedeutete das, eine friedliche Änderung des Grenzverlaufs sei nicht ausgeschlossen. Ungarns Politiker indes bekräftigten ihre Meinung, daß es für Grenzänderungen kaum eine Chance geben dürfte. Durch die rumänischen Umsiedlungsaktionen, die in den letzten Jahrzehnten gezielt durchgeführt wurden, seien die Gebiete mit ungarischen Bevölkerungsmehrheiten — vor allem in Grenznähe — ganz systematisch zerteilt worden. Für Revisionsbestebungen auch aus Rumänien heraus bestehe daher keinerlei reale Basis.

Es gibt jedoch eine winzige, etwa 500 bis 600 Mann starke Partei, die ein „unabhängiges und selbstständiges Siebenbürgen“ fordert: die sogenannte „Ungarische Christliche Union“. Das Zeitung dieser Partei, die 'Heilige Krone‘, wurde wegen „Schürung von Rassismus“ verboten und kürzlich ein Strafverfahren gegen den Chefredakteur des Blattes eröffnet.

Die Christenpartei organisierte sofort „zum Schutz der Pressefreiheit“ eine Demonstration, an der sich zwischen dreißig und vierzig Förderer der Partei beteiligten sowie ein anderthalbmal so starker Polizeikordon. Einer Statistik zufolge ist die in Rumänien am häufigsten zitierte ungarische Zeitung eben diese 'Heilige Krone‘.

Auf Behauptungen dieses Blattes berief man sich, als wieder einmal die Erlaubnis zur Einführung ungarischer Presseerzeugnisse nach Rumänien beschnitten werden sollte. Die hängt inzwischen vor allem von der Laune der Zollbeamten ab.