Die Liberalisierung stutzt PanAm die Flügel

Vergleich leitet die nächste Konzentrationsrunde der US-Fluglinien ein/ Vom regulierten Kartell zum privatisierten Oligopol  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Mit dem Vergleichsantrag von PanAm, einer der ältesten und renommiertesten Fluggesellschaften der USA, ist die Gesundschrumpfung der amerikanischen Luftfahrtindustrie in eine neue Phase getreten. Zwar wird PanAm unter dem Schutz des amerikanischen Konkursrechtes, das den Zugriff der Gläubiger auf das Firmenvermögen verhindert, vorläufig seinen Flugverkehr in vollem Umfang aufrechterhalten. Doch nach ihrer Reorganisation wird die einst stolze Airline, die als Pionier im Linienflug den Pazifik und Atlantik überquerte und 1970 den ersten Jumbo flog, vermutlich nicht mehr wiederzuerkennen sein. Welche Pläne das PanAm-Management zur Gesundung hat, ist gegenwärtig noch unbekannt. PanAm begründete den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens nach Paragraph 11 des US-Konkursrechtes mit andauernden Verlusten und dem Hochschnellen der Ölpreise im Gefolge der Golfkrise.

Nach Verlusten von 269 Millionen Dollar in den ersten neun Monaten 1990 sind scheinbar jetzt auch die Übernahmeverhandlungen mit der ebenfalls flügellahmen Konkurrentin TWA (Spitznahme: Try Walking Across) gescheitert. Sowohl PanAm als auch auch TWA — beide traditionell auf internationalen Flugverkehr ausgerichtet — hatten unlängst ihre profitablen Transatlantikrouten nach London an die United Airlines (UAL) bzw. an die American Airlines (AA) verkaufen müssen, um andernorts überhaupt noch abheben zu können. TWA erwartet für 1991 Verluste von 500 Millionen Dollar.

UAL und AA gehören zu dem halben Dutzend amerikanischer Luftfahrtgesellschaften, die eine weitere Konzentration des Airline Marktes vermutlich überleben werden. Bei Continental und Eastern fliegt dagegen schon seit Monaten der Konkursverwalter in der Pilotenkanzel mit. Erst im Oktober letzen Jahres trat PanAm ihre Berlinflüge an die Lufthansa ab.

Damit ist die US-Luftfahrtindustrie nach der vielbejubelten Liberalisierung der Lüfte Ende der 70er Jahre auf dem besten Weg, sich vom regulierten Kartell zum privatisierten Oligopol zurückzüntwickeln.

Doch eigentlich hatte alles ganz anders kommen sollen. Unter der Leitung von Alfred E. Kahn, dem Vater der Deregulierung, hatten Kongress und Carter-Administration die Zerschlagung des Flugkartells betrieben, um den KonsumentInnen mehr Wettbewerb und preiswertere Tickets zu bieten. Billiglinien wie „People's Express“ bereicherten dann auch für eine Weile das Angebot beim Check-in, ehe die Großen die Kleinen wieder aus dem Geschäft warfen — mit Hilfe ihrer computerisierten Buchungssysteme und eines harten Verdrängungswettbewerbs um die lukrativsten An- und Abflugzeiten.

Bestritten die acht großen Gesellschaften vor der Liberalisierung 80 Prozent aller Inlandsflüge, so vereinigen sie heute sogar 92 Prozent auf sich. Und ob die Ticketpreise heute wirklich niedriger sind als vor der Entflechtung des Kartells, darüber streiten sich die Experten. Der Fähigkeit des Marktes jedenfalls, sich zum privaten Oligopol zu re- beziehungsweise degenerieren, wurde weder von der Reagan- noch von der Bush-Administration ein kartellrechtlicher Riegel vorgeschoben, moniert heute selbst Kahn.

Er und andere glauben nun, daß der Wettbewerb durch eine Aufhebung der Restriktionen für ausländische Fluggesellschaften gerettet werden kann. Diese dürfen bisher nicht mehr als 25 Prozent einer einheimischen Airline erwerben. Falls das Transportministerium diese Kaufbeschränkungen aufheben sollte, gelte für die US-Luftfahrt das gleiche wie für die Stahl- und Autoindustrie: Am ausländischen Wesen sollen sie genesen, sprich ihre Wettbewerbsfähigkeit mühsam wiedererlernen.

Ehe die Jets von Lufthansa und British Airways auch auf inneramerikanischen Routen fliegen dürfen, wird sich allerdings die Piloten- und Mechanikerlobby im US-Kongreß zur Wehr setzen. Und in jüngsten Krisenzeiten geben sich die Volksvertreter in solchen Fragen zunehmend protektionistisch.