: Israels Armee in Alarmbereitschaft
■ Krankenhäuser richten sich auf einen Gasangriff ein/ Immer mehr Leute verlassen das Land
Für Israels politische Führung ist es eine ausgemachte Sache: Der Krieg wird stattfinden, und Israel ist darauf vorbereitet. Die Armee wurde im Vorfeld des Außenministertreffens in Genf in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, die Grenzen zu Jordanien und Syrien werden verstärkt überwacht. Unter solchen Vorzeichen ist es nicht verwunderlich, daß die Bevölkerung zunehmend unruhiger wird, jede/r macht sich Sorgen um ihre/seine persönliche Sicherheit. Staatspräsident Chaim Herzog forderte gestern in einer Ansprache seine Landsleute auf, ruhig zu bleiben, wer tatsächlich Grund zur Angst habe, sei Saddam Hussein, der sich einer großen Armee mit umfangreichem Waffenpotential gegenübersieht. Herzog kritisierte bei dieser Gelegenheit Bürger und Ausländer, die zur Zeit fluchtartig das Land verlassen. Der Exodus sei ihm unverständlich, so Herzog, schließlich sei auch während des Krieges zwischen Iran und Irak niemand geflohen.
Die Spannung im Lande wächst, nicht zuletzt angesichts des Massenauszugs der internationalen Diplomatie und ihrer Familien. Auch leisten viele Ausländer den Aufforderungen ihrer Regierungen Folge, die „Kriegszone“ zu verlassen. Das Gedränge an den Schaltern des Flughafens von Tel Aviv ist groß. Die großen Fluggesellschaften setzen zur Zeit mehr und größere Flugzeuge ein, um den Strom der Ausreisenden zu bewältigen. Täglich fliegen sieben- bis achttausend Personen ab — nicht gerade wenig angesichts der Tatsache, daß der Tourismus fast vollständig zum Erliegen gekommen ist. Auch israelische Staatsbürger ziehen es vor, die kommenden Ereignisse aus sicherer Entfernung abzuwarten, bei Verwandten in Europa oder den USA. Tickets sind, wenn es überhaupt noch welche gibt, dreimal so teuer wie zu normalen Zeiten. Einige Gesellschaften verlangen, daß Ticketinhaber die plötzlichen Preiserhöhungen nachzahlen.
Aus den Krankenhäusern des Landes wird berichtet, daß sie bereit seien, Opfer von Angriffen, auch von Gasangriffen, aufzunehmen und zu behandeln. Für die besetzten Gebiete hat die Militärbehörde diese Bereitschaft angeordnet. Gasmasken werden hier nicht verteilt. Gesundheitsminister Ehud Olmert erklärte dazu, daß die Palästinenser in den besetzten Gebieten „wohl kaum Ziel eines irakischen Angriffs sein werden“. Was die Palästinenser betrifft, so haben sie in diesen Tagen ganz andere Sorgen. Für Menschen, die unter schlimmsten Umständen in Flüchtlingslagern und Gefängnissen leben, ist die Frage von Gasmasken oder nicht offenbar von sekundärer Bedeutung.
Während immer mehr Ausländer, darunter freiwillige Helfer der deutschen „Aktion Sühnezeichen“ sowie viele ausländische Studenten, ihre Koffer packen, hat der Strom jüdischer Einwanderer aus der Sowjetunion merklich nachgelassen. Auswanderer, die bereits ihre Papiere haben, wollen vorerst in der Sowjetunion abwarten, wie sich die Dinge im Nahen Osten entwickeln.
Die Supermärkte machen zur Zeit ein Bombengeschäft: Die Leute legen Vorräte für mehrere Wochen an. Es ist die Unsicherheit, die viele an die „Wartezeit“ vor dem Sechstagekrieg vom Juni 1967 erinnert. Und was die Menschen besonders nervös macht, sind die widersprüchlichen Expertenmeinungen zum drohenden Szenario. Amos Wollin, Tel Aviv
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