Am Ende des Regenbogens

■ Eine Wiederaufnahme nach zehn Jahren

Die Regenbogenfabrik feiert heute eine »Große Gala zur Wiederbesetzung«. Ein Jahrzehnt nach der Erstbesetzung des Kreuzberger Hinterhofes in der Lausitzer Straße 22 ist die Zukunft des Nachbarschafts- und Kulturzentrums so ungewiß wie am ersten Tag. Pünktlich zum Beginn des neuen Jahres hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ihre Förderung für das kiezbezogene Projekt endgültig eingestellt. Und da auch die einzelnen Projekte, die zumeist ehrenamtlich betrieben werden, nicht in der Lage sind, die Bewirtschaftungskosten und die horrenden Mietforderungen der Eigentümergesellschaft allein zu finanzieren, haben sie sich in letzter Konsequenz zur Wiederbesetzung entschlossen.

Dabei hatten die Besetzer doch spätestens seit Mitte der achtziger Jahre in eine scheinbar legalisierte Zukunft blicken können. Seit 1984 wurde der Verein Regenbogenfabrik e.V. aus dem sogenannten Fink-Topf, einem Etat, der eigentlich nur der Anschubfinanzierung von Selbshilfeprojekten angedeihen darf, mit jährlich insgesamt 65.000.- DM subventioniert. Bei der Bewilligung der Mittel konnte die Sozialverwaltung allerdings immer mal wieder ein Auge zudrücken, weil seit 1985 ein Beschluß des Berliner Abgeordnetenhauses vorsah, das Objekt in den Besitz der öffentlichen Hand zu überführen. Anschließend, so die Planung, sollte das Gebäude dem Verein per Erbpachtvertrag zur Verfügung gestellt werden.

Doch dazu freilich ist es bis zum heutigen Tage nie gekommen. Größtes Hindernis bei den Kaufverhandlungen zwischen Finanzsenat und der westdeutschen Abschreibungsgesellschaft Vogel/Braun war die Verseuchung des ehemaligen Fabrikgeländes der Firma Albert Carl mit Kohlenwasserstoffen. Zwar sind auf Betreiben der Regenbogenfabrik längst die ersten zwei Meter Boden ausgetauscht worden, so daß für deren Besucher und Anwohner keine Gefahr mehr besteht. Jedoch drohen die Umweltgifte nun allmählich ins Grundwasser zu sickern. Da die anfallenden Sanierungskosten mit einer Höhe von 3,7 Mio DM den ursprünglich veranschlagten Kaufpreis noch einmal um das Zehnfache übertreffen würden, war der Senat bislang nie bereit, das Gelände zu erwerben.

Doch auch diese Situation ist heute mal wieder nur noch der Schnee von gestern. Vor kurzem hat ein sogenanntes Pilotprojekt des Umweltsenates nun doch mit der Entseuchung des Bodens begonnen, da weder der mußmaßliche Verursacher noch die Eigentümer für die Vergiftung haftbar gemacht werden konnten. Dumm nur, daß, durch die deutsche Einheit begünstigt, die Grundstückpreise in Kreuzberg jüngst drastisch gestiegen sind, so daß ein Vertragsabschluß zwischen Senat und »Spekulantenfirma« allein kaum mehr zu erwarten ist. Auch weht inzwischen der politische Wind bekanntlich aus einer anderen Richtung.

Mit einem musikalischen Gerangel der Berliner Formation »Dos Contra Dos« wird deshalb die Wiederbesetzung heut abend ins Volk getragen werden. Danach treten »vier zeitlos junge« Hamburgerinnen in die Fußstapfen der legendären Liverbirds und auf die Bühne im großen Veranstaltungssaal der ehemaligen Chemiefabrik. Mit deutschsprachigen Texten will die Mädchenrockband »Die Braut haut aufs Auge« ihre aufregenden Geschichten auf den Punk(t) bringen, und abschließend hofft DJ Sven, sein Publikum zu Tanzorgien verführen zu können. Andreas Kaiser

ab 20 Uhr in der Lausitzer Str. 22, 1-36