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The Butlers und Blechreiz

■ Wildes Schunkeln und Zappeln

Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall. Getreu der friesischen Weisheit antwortet die hier ansässige Partyszene dem englischen Rave mit Ska. Statt Modedrogen wird Bexbier serviert. Statt Rhythmus-bei-dem-jeder-mit-muß wütet wildes Schunkeln und Zappeln, statt kuscheliger Sweatshirts und Elefantenhosen werden spitze Schuhe und tightfitte Anzüge durchgeschwitzt. Die Engländer nennen es »joy«, die Berliner Skamonster wollen in erster Linie ihren Spaß haben.

Daher hört man dort auch weniger Götter funken und genießt mehr die Früchte des Bodens, den Schlagzeug und Baß unermüdlich beackern, während Orgeln, Gitarren und Gebläse das Hörerohr hüpfen lassen.

Das alles ist an eine Geschichte geknüpft, der die hiesigen Skabands anhängen. Natürlich aus der guten alten Zeit, London um 1980 herum, als mit Madness, Selectors und dem Specials der Rude-Boy-Boom boomte. Doch ihre Auslegung der einstmals blühenden Vergangenheit (auch Madness versuchen sich vereinzelt als House-Väter) vollzieht sich auf recht unterschiedliche Weise.

The Butlers schlagen dabei eine stärkere Sixties-Beat-betonte Wegstrecke ein. Die Bläsersätze sind von jener melodisch-melancholischen Fillfülle geleitet, die mitunter an Cool Jazz heranreicht und nur selten gut gelaunten James-Last-Party-Lärm erzeugt. Und ihr Sänger/Shouter Wanja Glökler neigt ebenfalls eher ins dramatische Metier: schwärmt, seufzt und sinniert mitunter voller Weltschmerz, aber dennoch immer »on the run«.

Die »Drunken Sailors» aus ihrem Cover- Repertoire mögen wirklich nach langen Fahrten übers Meer in einer Rotlichtspelunke eingelaufen sein, wer würde ihnen da den Spaß verweigern? Bei den Butlers wird das anschließende Gelage zur Tour de Force auf der Bühne — Turboska ahoi.

Blechreiz reisen dagegen schon mit dem Flugzeug, das sie manchmal in Windeseile von Jamaika nach Notting Hill zur Zeit der Riots oder gar ins New Yorker Groove-Ghetto transportiert: »Heiße Hölle Harlem«.

Hier und da erklingt nämlich im aberwitzigen Hechtsprunggesang von Mister Master Renner ein fast authentisches Soulcrooning, mit dem er selbst Plateaus und Doc Martens vereinigen kann. Also »Come Together«, als Rave, also Universal Congress of Cleverness?

Auch wieder nicht. Ihre Skavariante ist nur gereifter, bindet mal Soul-, mal Rock- Elemente (»Return of the 70's«) mit ein, ohne den Zweitakter als Grundschema zu verdrängen. Am Ende heißt so ein Crossover-Soul — nein, »Soljanka«.

Und auch die Frage nach dem gekidnappten J.B., die sie immer wieder auf ihrer Platte stellen, führt keineswegs auf die Abwege zum Godfather aus Atlanta, Georgia. Nicht James Brown ist verschütt gegangen (der sitzt lediglich für ein paar Jahre), sondern der Orgelmensch J.B. Beat soll es laut Interview bei elf99 gewesen sein. Es könnte sich auch um James Bond handeln, für den das Herz von Blechreiz wie auch das der Butlers höher schlägt. Aber das kommt alles wieder, früher oder später.

Anyway, wenn der symphatische Munster-Vater aus der gleichnamigen TV-Serie heute ausgehen wollte, würde er seinen Hochwasseranzug anbehalten und ins K.O.B. gehen. Blechreiz und The Butlers werden ihn herzlich willkommen heißen. Harald Fricke

Ab 22 Uhr im K.O.B.

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