Quadratur des Kreises

■ Ist mit dem „Scheitern“ der Baker-Asis-Gespräche das letzte Wort gesprochen? KOMMENTARE

Dies sei die Eröffnung der letzten Runde aussichtsloser Krisengespräche vor dem Ausbruch eines verheerenden Krieges im Mittleren Osten — so wurde der Ausgang des Genfer Treffens von Asis und Baker allenthalben kommentiert. Nur wenige halten daran fest, daß noch nicht alles verloren sei. Ihre Hoffnungen knüpfen sich an den geplanten Bagdad-Besuch des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Perez de Cuellar, und an die französische Vermittlungsinitiative. Was die beiden Außenminister auf ihren Pressekonferenzen am Mittwoch abend in Genf mitzuteilen hatten, war in der Tat niederschmetternd: die Wiederholung der sattsam bekannten offiziellen Positionen des Irak und der USA.

Die amerikanische Position wirkte konsistent, die irakische nicht. Der US-Außenminister adressierte seine Stellungnahme an eine „westliche Öffentlichkeit“, der irakische Außenminister hatte hingegen die Schwierigkeit, vor einem westlichen Publikum zu sprechen, und gleichzeitig zu wissen, daß jedes seiner Worte von einer „arabischen Öffentlichkeit“ auf die Goldwaage gelegt wird. Er stand offensichtlich unter erheblichem Druck — und er machte eine denkbar schlechte Figur.

Warum nutzte er die Chance nicht, durch Andeutung einer neuen Interpretation der Kuwait- Frage die zum Krieg entschlossenen Hardliner der USA in ihrem Kurs zu verunsichern? Denn, daß es eine solche neue Interpretation gibt, darauf deuten die verschiedentlich lancierten „arabischen“ Lösungsszenarien und Kompromißvorschläge bereits seit einigen Wochen hin. Auf die Frage eines Journalisten, ob Asis behauptet habe, Kuwait sei fester Bestandteil des Irak, antwortete Baker: „Nein, das hat er nicht gesagt.“ Auf die Bitte an Asis, doch endlich direkt zum Kuwait-Problem Stellung zu nehmen, kam jedoch keine Antwort, sondern lediglich eine abwehrende Bemerkung: „Wir haben unsere eigenen Standards bei der Beurteilung dieser Frage.“

Die „Logik“ der „arabischen Öffentlichkeit“ wurde von den westlichen Medien bei der Einschätzung arabischer offizieller Erklärungen schon immer ignoriert: Die „Ehre und Würde“ des Irak dürfe bei dem Versuch, einen Krieg zu vermeiden, nicht berührt werden, erläuterte der algerische Außenminister Ghonzali kürzlich die irakische Position.

Die „arabische Öffentlichkeit“, soweit sie Saddam Hussein unterstützt, würde einen Rückzug aus Kuwait vermutlich akzeptieren, wenn der Irak aus dem Konflikt mit einer eindeutigen Zusage für eine internationale Nahostkonferenz und insofern „erfolgreich“ hervorgeht. Wahrscheinlich ist aber, daß Saddam Hussein sein politisches Überleben im Irak mit einer solchen Zusage allein nicht absichern kann. Dazu bedürfte es einer Kompromißlösung, die nach „innen“ als territorialer Gewinn („Teilrückzug“) verkauft werden kann. Dem steht mit der Verabschiedung der verhängnisvollen UN-Resolution 678 die Autorität der Vereinten Nationen entgegen — und das politische Überleben der Bush- Administration. Es bedürfte also einer „janusköpfigen“ Lösungsformel, auf die sich die Vertreter des Irak und der „internationalen Gemeinschaft“ in der verbleibenden Zeit verbindlich einigen müßten: Ein bedingungsloser Truppenabzug aus Kuwait und gleichzeitige territoriale Zugeständnisse an den Irak. Das erscheint wie die Quadratur des Kreises.

Gleichwohl hat die französische Regierung eine solche diplomatische Initiative ergriffen: Es geht um den Vorschlag, über eine Interpretation des im Ultimatum gesetzten Termins und über Iraks territoriale Ansprüche an Kuwait gleichzeitig zu verhandeln. Denkbar wäre ein Stufenplan für den Rückzug der irakischen Truppen und parallele Verhandlungen über Ansprüche des Irak an Kuwait: Das betrifft im Kern den Streit über das Ölfeld Rumaila an der irakisch-kuwaitischen Grenze und die Verpachtung der beiden Inseln Warba und Bubyan. Ein solches Procedere böte Saddam Hussein die Chance, von einem Teilsieg zu sprechen, da irakische Truppen noch auf kuwaitischem Territorium stehen, während bereits über irakische Gebietsansprüche verhandelt wird; der Forderung der Vereinten Nationen nach bedingungslosem Rückzug wäre Genüge getan, indem der Abzug aus Kuwait ohne die Erfüllung konkreter Forderungen des Irak begonnen hätte.

So gesehen, wäre das Treffen von Asis und Baker weniger als versuchter — und gescheiterter — irakisch-amerikanischer Dialogversuch zu betrachten. Vielmehr haben die beiden Außenminister durch das Treffen gegenüber ihren jeweiligen Öffentlichkeiten und den „gegnerischen Lagern“ klargemacht, daß sie nicht gewillt sind, das politische Überleben ihrer Regierungen für eine friedliche Lösung der Golfkrise zur Disposition zu stellen. Das Treffen hat zudem stattgefunden, nachdem das Terrain für eine eventuelle diplomatische Lösung des Konflikts durch europäische und arabische Regierungen bereits gründlich sondiert wurde, und es war klar, daß die bereits in Gang gekommenen Kontakte unabhängig vom „Ausgang“ des Genfer Treffens fortgeführt werden. In Genf wurden noch einmal die Pflöcke festgeklopft. Der Spielraum für einen diplomatischen Lösungsversuch ist durch sie begrenzt. Er ist klein, aber es gibt ihn. Nina Corsten