Solidarpakt ist nicht praktikabel

DGB-Chef Meyer und Einzelgewerkschaften ÖTV und IGM lehnen Vorschlag Finks ab  ■ Von W. Jacobs/M. Kempe

Düsseldorf/Berlin (taz) — Die Gewerkschaften ÖTV und IG Metall haben sich gestern gegenüber der taz gegen den Vorschlag des stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ulf Fink ausgesprochen, ein Prozent der Löhne und Gewinne für den Aufbau in den neuen Bundesländern zu verwenden. Auch DGB-Chef Meyer lehnte auf der Neujahrspressekonferenz in Düsseldorf Finks Vorschlag ab. Davon halte er „überhaupt nichts“. Zwar sei für ihn klar, daß die deutsche Einheit sich nur finanzieren lasse, wenn „auch der Durchschnittsverdiener dazu beiträgt“, doch das müsse sachlich angemessen und sozial gerecht geschehen.

Die ÖTV, die für die Arbeiter und Angestellten des Öffentlichen Dienstes in Westdeutschland eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 10 Prozent fordert, betonte, sie habe bisher mit Solidarbeiträgen schlechte Erfahrungen gemacht. Die Öffentlichen Arbeitgeber hätten beispielsweise bei dem Tarifvertrag zur Arbeitszeitverkürzung entgegen ihren Versprechungen keine Neueinstellungen vorgenommen. Das Modell Finks komme vor dem Hintergrund derartiger Erfahrungen für die ÖTV nicht in Frage. Unterstützung signalisierte die ÖTV für die Forderung Finks, die Wirtschaft solle verstärkt in den neuen Bundesländern qualifizieren. Die Gewerkschaft wolle die Öffentliche Hand in den Anfang Februar anstehenden Tarifverhandlungen für eine Qualifizierungsoffensive in Ostdeutschland in die Verantwortung nehmen.

Die Industriegewerkschaft Metall hat Zweifel, ob die Gelder aus dem einprozentigen Lohnverzicht der Arbeitnehmer tatsächlich den Beschäftigten in Ostdeutschland zugutekommen würden. Nach Fink sollen die Gelder als Kredite für Infrastrukturmaßnahmen und Betriebssanierungen eingesetzt werden. Wenn eine Sanierung von Betrieben möglich sei, so die IG Metall, lasse sich das dafür natwendige Geld auch auf dem freien Markt auftreiben. Wenn aber die Banken keine Bereitschaft zeigten, gehe es nicht an, dann auf das Geld der Arbeitnehmer zurückzugreifen. Die Gewerkschaft befürchtet, daß durch die Finkschen Vorschläge kein Solidareffekt erreichbar sei, zumal ein Prozent Lohn und ein Prozent Gewinn nicht gleichzusetzen wären, weil die Höhe der Gewinne von den Unternehmen leicht zu verstecken sind.

Beide Gewerkschaften betonten dennoch ihre Bereitschaft, zum Gesprächen über eine Solidaraktion teilzunehmen, wenn eine entsprechende Einladung beispielsweise von der Bundesregierung ausgesprochen würde. Die Gewerkschaften hätten schon immer mehr Beteiligung und Mitbestimmung bei den Maßnahmen zum Aufbau in Ostdeutschland gefordert, betonte die ÖTV.