Genf — am Tag danach
: Scheitern treibt US-Kongreß in Bushs Arme

■ Nach dem Genfer Palaver fragt in den USA kaum noch jemand nach einer Alternative zum Krieg.

Mit großer Sorgfalt hatten die US-Medien das Genfer Treffen zwischen James Baker und Tarik Asis in den letzten Tagen als denkwürdiges Ereignis aufgebaut. Schon am frühen Nachmittag waren alle TV-Stationen dem Kabelkanal CNN gefolgt und schalteten live zwischen Genf, Amman, Bahrain, Jerusalem und Washington hin und her, daß es den Zuschauern beinahe schwindlig wurde. Da mußten die Fernsehmänner schon vor Ort eingeholte Reaktionen präsentieren, während sich die Akteure in Genf gerade erst kommentarlos zum Mittagessen zurückgezogen hatten. Mit der Gesprächsdauer stieg die Spannung und zunächst auch der Optimismus.

Überall in Washington wurde in die Röhre geguckt. Im Brookings Institute klebten die Nahost-Experten vor dem Bildschirm und unterbrachen zeitweise sogar ihre Litanei von 30-Sekunden-Kommentaren für die Nachrichtensendungen. Die republikanischen Senatoren Dole und Warner hockten im Kapitol zusammen vor der Glotze. Und auch der Mensch auf der Straße schaute zur Mittagspause schnell mal in den Fernsehverkaufsraum von „Luskins“, so als spielten die „Washington Redskins“ im Football-Endspiel. „Reden die beiden noch?“ „Ja, die beiden reden schon seit 6 Stunden.“ „Gott sei Dank!“

Jenseits des Atlantik gab sich James Baker „düster“. Tarik Asis wurde gar nicht erst nach seiner Stimmung gefragt, zu sehr hatte er sie dem anderen verdorben. So elegant sich der telegene Schoßhund des „Biest von Bagdad“ auch gegenüber Baker und der Weltpresse auszudrücken vermochte, so berechtigt auch seine Klage über den „Doppelstandard“ des Westens in der Behandlung Israels und der arabischen Welt war — daß Asis in 45 Minuten das Wort „Kuwait“ nicht einmal über die Lippen brachte, das verzieh ihm in den USA niemand.

Einlenken nur in letzter Minute möglich

Doch in seiner ersten Reaktion riß sich George Bush gehörig zusammen. Trotz der „schroffen Abfuhr“ durch den Boten Saddams sei es für eine friedliche Lösung noch nicht zu spät, erklärte Bush. Die USA würden sich weiter bemühen. Sogar die Nichtannahme seines Briefes an Saddam, den der empfindliche Asis als zu „unfreundlich“ wertete, selbst diese Erniedrigung nahm der Präsident gelassen hin — wie auch die Ankündigung aus der UNO, daß es jetzt Generalsekretär Perez de Cuellar noch einmal mit einem Vermittlungstrip nach Bagdad versuchen werde. Der Präsident war so „entmutigt“, daß er auf die Frage, woher er denn seine verbleibende Hoffnung nehme, kaum eine Antwort wußte.

Enttäuscht gaben sich auch die TV-Moderatoren und Experten. Sie waren nach dem sensationslüsternen Aufbau des Medienereignisses während des sechstündigen Wartens in Genf wohl ihrer eigenen Propaganda aufgesessen. Nun jedenfalls galt es, über all die unerfüllten Hoffnungen zu reden — immerhin auch eine sendefüllende Tätigkeit —, so, als wäre nicht klar gewesen, daß bei dem Treffen überhaupt nichts Handfestes herauskommen konnte.

Was hätte Baker denn unter vier Augen sagen sollen. Der letzte US- Beamte, der den Irakern gegenüber offen war, die US-Botschafterin Glaspie, wird seit ihrer leichtfertigen Einladung gegenüber Saddam in den USA wie eine Aussätzige behandelt. Dabei hatte sie vor dem 2. August doch nur die damalige offizielle Appeasement-Linie der USA vertreten. Genau deswegen konnte es sich Baker jetzt nicht noch mal leisten, von den Irakern in Genf als „Befrieder“ entlarvt zu werden.

Auf der anderen Seite hätte es Saddam Hussein die größtmögliche Schande eingebracht, in Genf einen Truppenrückzug auch nur anzudeuten. Wenn Saddam überhaupt einlenken wird, dann erst in letzter Minute und auf arabische (vielleicht auf europäische oder UN-) Vermittlung hin. So ist das Beste an dem Treffen in Genf wohl die Tatsache, daß es nun vorbei ist und den Weg für realistischere Vermittlungs- und Verhandlungsbemühungen freigemacht hat.

Freibrief des Kongresses so gut wie sicher

Einen Zweck hat die Genfer Begegnung allerdings doch erfüllt. Präsident Bush hat der Öffentlichkeit zu Hause einen weiteren Friedensversuch demonstrieren können. Seine „Ihr seht ja, der Saddam will nicht“- Haltung ist seit Mitwoch um vieles überzeugender geworden — mit dem Effekt, daß in den USA kaum noch jemand nach der politischen Alternative fragt. Die von Bush auf der Pressekonferenz so ganz nebenbei verbreitete Feststellung, daß „Sanktionen alleine nicht wirken“, wurde jedenfalls von keinem der anwesenden Journalisten in Frage gestellt.

Und auch im Kongreß wird das Scheitern der Genfer Gespräche zweifellos Auswirkungen haben. Die Chancen für eine Unterstützung von Buschs der UN-Resolution nachempfundenen Resolution durch die Abgeordneten — und damit das Placet für eine zukünftige Kriegserklärung — standen noch nie so gut wie am Tag nach der Genfer Vorstellung des Tarik Asis. Rolf Paasch, Washington