: In „Gastfamilien“ statt in Saudi-Arabien
■ Resümee der Aktion „Winterurlaub“ / 30 US-Soldaten fehlten beim letzten Appell
Den Befehl verweigern, sich mit einem Messer selbst verstümmeln, in letzter Minute untertauchen... Durch das friedensbewegte Bremen schwirren die unterschiedlichsten Gerüchte, wieviel kriegsunwillige US-Soldaten aus der Kaserne Garlstedt sich denn nun am vergangenen Wochenende dem Abtransport an den Golf entzogen haben.
Gestern nannten der grüne Fraktionssprecher Martin Thomas und der Anwalt Reinhard Engel (Initiative „Statt Krieg“) erste verläßlich Zahlen über das Schicksal der Garlstedter Berufssoldaten, die ihr „Blut nicht für Öl“ vergießen wollen. Daß ihnen diese vertraulichen Angaben („militärische Geheimnisse“) von Armeeangehörigen bis hin zu Offizieren zugesteckt wurden, werteten die beiden Bremer als einen der Erfolge ihrer Anti- Kriegsbemühungen.
Nicht angetreten: Beim letzten Appell vor dem Abmarsch fehlten in der Kaserne 30 Soldaten.
Unerlaubt entfernt: Bisher sind namentlich drei Soldaten bekannt, die sich am vergangenen Samstag „unerlaubt von der Truppe entfernten“ und „bei deutschen Gastfamilien“ untertauchten: Robert W., Robin T. und David. Dieses „unerlaubte Entfernen“ gilt nicht als „Desertion“, wenn die Soldaten sich eines Tages wieder in Uniform bei ihrer Einheit melden. Da die meisten sich spontan und in letzter Minute zum „Untertauchen“ entschlossen haben, ist es für Bremer Kriegsgegner schwierig, genauere Zahlenangaben zu machen. Friedensbewegte hatten sich unter dem Stichwort „Aktion Winterurlaub“ auf das Verstecken von GIs vorbereitet.
Einer der drei namentlich bekannten Garlstedter Untergetauchten, Robin T., will in der nächsten Woche wieder in die Kaserne zurückkehren. Er sieht seine Lage so: „Ich will nicht desertieren. Ich ging, um ihnen zu zeigen, wie ernst ich es meine. Wenn ich nach Garlstedt zurückkehre, werden sie mich degradieren, ich werde keinen Sold mehr bekommen. Entweder stecken sie mich dann ins Gefängnis oder sie schicken mich nach Saudi-Arabien. Aber ich werde nicht kämpfen. Und wenn ich lebend zurückkomme, werden sie mich danach ins Gefängnis stecken.“
Verweigert: 17 Garlstedter GIs arbeiteten ihre mehrseitige Begründung auf Kriegsdienstverweigerung aus. Doch nur zwei Verweigerer, denen es nach vielen Umwegen gelang, ihren Antrag in der Kaserne abzugeben, sind namentlich bekannt: Eric Nichelson und Robert Chandler. Beide wurden nach Saudi-Arabien ausgeflogen, beider Anträge sollen dort weiterbearbeitet werden. Robert Chandler, der den Marschbefehl verweigert hatte, war in Garlstedt in eine Arrestzelle gesteckt und dann von vier Bewachern in den Bus zum Hamburger Flughafen verfrachtet worden. Anderen Verweigerern, so der Grüne Martin Thomas, sei es dagegen vor allem darauf angekommen, ihren Antrag abzugeben, um so die begründete Hoffnung zu haben, in Saudi-Arabien nicht an vorderster Front eingesetzt zu werden. Doch in Garlstedt hatte bis zum letzten Abmarschtag, dem 8. Januar, die Sonderregelung gegolten, so der Army-Sprecher Thompson, „daß neugestellte Anträge von dem Vorgesetzten des Soldaten nicht entgegengenommen werden durften — bis zur Ankunft im neuen Verwendungsgebiet.“
Unehrenhaft entlassen: Mindestens zwei kriegsunwillige Garlstedter Soldaten, Austin C. und Howard W., wurden vor dem Abflug nach Saudi-Arabien „unehrenhaft“ entlassen. Dem vorausgegangen waren Verweigerung, „unerlaubtes Entfernen“ sowie Disziplinarverfahren.
Selbstverstümmelt: Drei Fälle von Selbstverstümmelungen sind, so Anwalt Reinhard Engel, „relativ sicher“. Mindestens ein verletzter Garlstedter Soldat, Sergeant B., sitzt deswegen im Militärgefängnis in Mannheim ein.
Desertiert: Zu Desertionen kam es nicht. Der grüne Abgeordnete Martin Thomas: „Der Preis war zu hoch. Auf Desertion stehen fünf Jahre Gefängnis und zehn Jahre Einreiseverbot in die USA. Das hat die 20, 22jährigen Soldaten abgeschreckt.“
Thomas rief die BremerInnen dazu auf, sich den Krieg nicht nur „in der ersten Reihe anzugucken.“ Die „Aktion Winterurlaub“ werde jetzt ausgedehnt auf kriegsunwillige Bundeswehrangehörige. Bei der Initiative „Statt Krieg“ haben bereits zehn besorgte Väter von Bundeswehrsoldaten angerufen und sich erkundigt, wie das geht — Verweigern. B.D./mw
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