Die West-Verfassung für ganz Berlin

■ Konstituierende Sitzung des ersten Gesamtberliner Landesparlaments seit 40 Jahren/ Sehr flott stimmten die Abgeordneten für die Übernahme der Westberliner Verfassung in ganz Berlin/ Laurien zur Präsidentin, Schwierzina zum Vize gewählt

Berlin. Nach über 40 Jahren hat Berlin wieder ein gemeinsames Parlament: Gestern vormittag konstituierte sich das am 2. Dezember gewählte Abgeordnetenhaus in der Nikolaikirche, in der bereits die im Jahre 1809 gewählte erste Berliner Stadtverordnetenversammlung getagt hatte. Die sechsstündige Sitzung wurde vom Alterspräsidenten, dem durch Bauskandale einschlägig bekannten ehemaligen Bausenator Klaus Franke (CDU), eröffnet und bis zur Wahl eines neuen Präsidiums geleitet.

Zur neuen Präsidentin wurde mit großer Mehrheit die ehemalige Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien gewählt; 182 der insgesamt 241 Abgeordneten stimmten für die CDU-Politikerin, die von 1981 bis 1989 im Berliner Senat saß. Zu ihren StellvertreterInnen wurden der bisherige Oberbürgermeister von Ost- Berlin, Tino Schwierzina (SPD), die ehemalige Vizepräsidentin des Westberliner Abgeordnetenhauses, Marianne Brinckmeier (SPD), und Reinhard Führer (CDU). Schwierzina war kurz zuvor von seinem Amt als Oberbürgermeister zurückgetreten, seine Geschäfte führt bis zur Bildung eines neuen Senats kommissarisch sein Stellvertreter, Innenstadtrat Thomas Krüger.

Zu einer kontroversen Debatte kam es beim Tagesordnungspunkt Verfassung. Während die Bürgerbewegungen aus dem Ostteil der Stadt und die PDS sich für die Erarbeitung einer neuen Verfassung stark machten und dafür plädierten, die jetzige Wahlperiode als erste und nicht als zwölfte des Berliner Abgeordnetenhauses zu bezeichnen, betonten CDU und FDP die Tradition der seit 1950 in West-Berlin geltenden Verfassung, die schließlich mit großer Mehrheit auf die ganze Stadt erstreckt wurde.

So gilt jetzt eine modifizierte Variante der Westberliner Verfassung für den neuen Stadtstaat Berlin, die im letzten Jahr im sogenannten Einheitsausschuß aus Ost- und Westberliner Abgeordneten mühsam erarbeitet wurde. Die Ostberliner Verfassung vom 11. Juli 1990 gehört damit endgültig der Vergangenheit an. Die Anträge von Bündnis 90/Grüne und PDS auf Einsetzung einer verfassunggebenden Versammlung beziehungsweise auf Erarbeitung einer neuen Verfassung wurden von den drei anderen Fraktionen abgelehnt. Mit der Mehrheit von SPD und CDU wurde auch die Geschäftsordnung geändert: Die Vizes wurden von bisher zwei auf drei aufgestockt und die Fraktionsstärke auf mindestens zehn Abgeordnete festgelegt. Das bedeutet, daß die vier Abgeordneten des Neuen Forums, die nicht mit der AL und dem Bündnis eine Fraktion bilden wollen (die taz berichtete), keinen Fraktionsstatus erhalten.

Offiziell bestätigt wurde die neue Fraktion aus den anderen Gruppen aus Bündnis 90 und der AL. Am Schluß der Sitzung wurde eine Resolution von CDU und SPD, »Appell für den Frieden am Golf«, verabschiedet. In ihr appelliert das Abgeordnetenhaus »an die Beteiligten, den Konflikt am Golf nicht mit kriegerischen Mitteln, sondern unter Ausschöpfung aller politischer und diplomatischer Wege friedlich zu lösen«. kd