Standbild: "...plötzlich ein kleiner Held"

■ Pavlos Bakojannis, Do., 23.35 Uhr, ARD

Einen „Nachruf auf einen Freund in Griechenland“ wollte Thomas Schadt mit seinem Film erstellen, und das ist ihm auch gelungen. Ein Dokumentarfilm sollte es sein, und ob ihm das gelungen ist, ist zumindest umstritten. Es geht um Pavlos Bakojannis, Journalist und Politiker, erschossen am 26. September 1989 vom Kommando „17. November“. Zum Zeitpunkt seines Todes eine öffentliche Person, war es unmöglich, über ihn zu sprechen ohne auch über die jüngste Geschichte Griechenlands zu sprechen.

Um die Umstände seines Todes gab es viele Spekulationen. Zum einen hat das mit der darüber verhängten Nachrichtensperre zu tun, zum anderen damit, daß über das „Kommando 17. November“ nur das bekannt ist, was es selbst bekannt zu machen wünscht. Allerdings auch damit, daß die Ermordung Bakojannis' zu einem Zeitpunkt stattfand, als seine Person zum ersten Mal umstritten war. Nach dem Abitur in München studiert, anschließend beim Bayerischen Rundfunk die Sendung für griechische „Gast“arbeiter geleitet, wird Bakojannis in der Zeit der Militärjunta (1967-1974) bekannt als einer, der hartnäckig gegen sie opponiert und sie von Anfang an massiv attackiert, bis man ihm schließlich die griechische Staatsangehörigkeit entzieht. Ein Kollege von der Deutschen Welle: „So wurde er plötzlich ein kleiner Held.“

Nach dem Rücktritt der Junta und seiner Rückkehr nach Griechenland arbeitet er als freier Journalist für „die Erneuerung der politischen Kultur des Landes“. Mitte der achtziger Jahre wird er Herausgeber der Zeitschrift 'Ena‘ — finanziert von dem Mann, der den größten Skandal in der Geschichte Griechenlands nach der Junta und damit verbunden den Sturz der linksgerichteten PASOK- Regierung verursachen sollte: Koskotas. Bis heute ist Bakojannis' Zusammenarbeit und seine Verwicklung im „Koskotas-Skandal“, der so drastische Auswirkungen hatte, nicht eindeutig geklärt. Natürlich kann so eine Klärung nicht von einem „Nachruf auf einen Freund“ geleistet werden, auch dann nicht, wenn genau diese Verwicklung als Grund seiner Ermordung angegeben wird (Bekennerbrief des „17. November“) — was allerdings von einem „Dokumentarfilm“ erwartet werden kann, ist, das Augenmerk auf diesen Lebensabschnitt zu richten, der doch einige Fragen offengelassen hat. In einem Land, das in seiner kurzen, 150jährigen Geschichte schon 160 Regierungen gehabt hat, ist es vielleicht gerade interessant, die Hintergründe und -männer eines Skandals aufzuzeigen, der die bislang einzige linksgerichete Regierung mit zwei(!) regulären Legislaturperioden stürzte. Zufällig zu einem Zeitpunkt als Bakojannis aktiv in die Politik eintritt: als Abgeordneter der von seinem Schwiegervater geführten, konservativen „Nea Demokratia“, die im Anschluß an den Sturz der PASOK-Regierung eine von allen Seiten als „historisch“ bezeichnete Koalition mit dem Linksbündnis „Synaspismos“ einging. Wie sich auch aus den Interviews bei Schadt zeigt, war Bakojannis der maßgebliche Initiator dieser Koalition. Doch Schadts Nachruf bezog sich auf einen Freund und da nicht nur auf die Umstände seines Todes. Dazu hätte es wahrscheinlich eines Dokumentarfilmes bedurft. Anna Lazaridou