: Bezahlt wird doch!
■ Zur Entrüstung über die Finanzierung der deutschen Einheit
Warum wird eigentlich jetzt über die Kosten der Einheit so gejammert? Daß die deutsche Einheit teuer wird, ist nicht neu — auch wenn die Bundesregierung erst jetzt eingestehen muß, daß sich das neue Deutschland nicht von alleine finanziert. Wieviel schließlich lockergemacht werden muß, ist auch heute nicht auf Mark und Pfennig absehbar. Klar ist lediglich, daß der wirtschaftliche Aufschwung in den fünf neuen Ländern nicht so schnell kommen wird, wie von westlichen Wirtschaftsforschern prognostiziert worden ist. Der Osten wird also länger als erwartet Subventionsgebiet bleiben, und der Fonds Deutsche Einheit wird voraussichtlich nicht einmal für die laufende Verwaltung in den FNL reichen — geschweige denn für den dringend notwendigen Aufbau funktionierender Verwaltungsstrukturen. Und dies ist nur eine, bei weitem nicht die einzige Voraussetzung für Investitionen.
Das Geld, um auch nur den weiteren Niedergang der Wirtschaft im Osten zu verhindern, muß selbstverständlich aus dem Westen der geeinten Republik kommen. Jetzt darüber zu jammern, daß die gewählte Regierung Beiträge erhöht, weil sie sich an das unbegründete Wahlversprechen hält, die Steuern nicht zu erhöhen, ist müßig. Warum eigentlich sollen nicht vor allem die WestbürgerInnen zur Kasse gebeten werden? Schließlich sitzen die ökonomischen Gewinner der Einheit alle in den Altländern. Das anhaltende Wirtschaftswachstum bei deutlich abgeschwächter Weltkonjunktur verdankt die westdeutsche Industrienation weitgehend dem neuen Markt. Ohne Einheit hätte die alte Bundesrepublik die Flaute im Außenhandel deutlich zu spüren bekommen.
Jetzt vor allem im Westen die Kosten der Einheit wenigstens teilweise wieder hereinzuholen, ist also nur fair. Warum nicht die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhöhen? Verschont bleiben davon allerdings wiedereinmal die gehätschelten Unternehmer, Freiberufler und Beamtinnen. Letzteren stünde mindestens eine Nullrunde bei den kommenden Tarifverhandlungen gut an. Flächendeckend Beiträge zu erhöhen, bringt zwar kurzfristig Geld, ist allerdings noch lange kein hinreichendes Konzept, um die neuen Länder ausreichend zu finanzieren. Ob Lüge oder Irrtum: Inzwischen müßte selbst diese Bundesregierung bereit sein, ihre öffentlich geäußerte Fehleinschätzung über die Kosten der Einheit zurückzunehmen. Helmut Kohl ist schließlich nicht Dario Fo. Bezahlt wird doch. Donata Riedel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen