Iraks Opposition schwimmen die Felle davon

Irakische Exilkreise lehnen eine Kooperation mit den USA strikt ab/ „Wir sind nicht bereit, im Dienst von Ausländern den Irak zu besetzen“/ Kurden wagen sich in den Dialog mit Saddam Hussein, Schiiten und Kommunisten hoffen auf einen Militärputsch  ■ Aus Damaskus Khalil Abied

Schwere Zeiten sind für die irakische Opposition angebrochen. Sie steht heute nicht nur gegen den „starken Mann“ der Region, sondern muß auch gegen den Strom der arabischen Straße anschwimmen. Die meisten einfachen Leute in den arabischen Ländern — Irak eingeschlossen — stehen heute hinter Saddam Hussein.

Immerhin haben 17 Oppositionsgruppen und Parteien, Vertreter von Kurden, Schiiten und sekulären Gruppen, in den letzten Dezembertagen vereinbart, ihre Aktivitäten zu koordinieren, und ein gemeinsames Aktionsprogramm vorgestellt. Die Plattform läßt sich auf zwei Sätze zusammenfassen: „Sturz des Regimes Saddam Hussein — Für eine pluralistische Gesellschaft!“ „Diese Plattform ist nicht das Programm einer Widerstandsfront“, geben die meisten Oppositionspolitiker zu, „sondern eine Auflistung gemeinsamer Ziele.“ Wenn man bedenkt, wie lange es gedauert hat, bis nur dies zustande kam, läßt sich bereits erahnen, wie groß die Differenzen sind.

Eine Million der 17 Millionen IrakerInnen leben heute als politische Flüchtlinge im Exil. Die meisten Oppositionsführer agieren von außerhalb des Landes. Nachdem Saddam Hussein Ende der sechziger Jahre die Macht im Irak übernahm, setzte er zunächst zum Schlag gegen die Kommunisten an, die ehemaligen Bündnispartner seiner Baath-Partei. Von dem einst großen Einfluß der KP ist heute im Lande selber kaum etwas übriggeblieben. Der schiitischen Opposition, die noch Anfang der achtziger Jahre das Regime durch bewaffnete Anschläge empfindlich treffen konnte, war das gleiche Schicksal beschieden. Bleibt noch die kurdische Bewegung, die von den Bergen Kurdistans einen Guerillakrieg gegen das Regime führte. Letzteres rächte sich bitter nach Ende des Krieges mit dem Iran und holte unter Einsatz von Chemiewaffen zum entscheidenden militärischen Schlag gegen die Kurden aus. Bis heute hat sich der kurdische Widerstand nicht von seinen Wunden erholt.

„Nein“ ist die kurzgefaßte Antwort Oppositioneller aller politischer Färbungen auf die Frage, ob sie ein schnelles Ende des Saddam- Regimes erwarten. Mit ihrer Forderung „Sturz des Regimes Saddam Hussein“ befinden sie sich in einem Dilemma: Plötzlich stehen sie in einer Front mit den beiden Teufeln, dem „großen Satan“ Amerika und dem „kleinen Satan“ Israel. Das Dilemma versucht Adel Razzaq Al Safi, Mitglied des Politbüros der KP, so zu lösen: „Saddam Hussein ist verantwortlich dafür, daß die amerikanischen Streitkräfte gekommen sind. Er hat ihnen den Vorwand geliefert. Wir wissen, daß die USA schon lange den Plan hegen, die Ölquellen zu besetzen. Und wir wissen, daß sie bleiben werden, selbst wenn sich Saddam aus Kuwait zurückzieht. Wenn er sich jedoch zurückziehen würde, würden sich wenigstens alle der Forderung ,Amerikaner raus aus dem Golf‘ anschließen können.“ Die ersten Sätze der Antwort sind bei allen dieselben. Unterschiede werden deutlich, wenn man nach den praktischen Schritten fragt.

Die 1988 gegründete kurdische Front, die sieben kurdische Parteien sowie eine assyrisch-christliche Partei einschließt, erklärte zu Beginn der Golfkrise eine einseitige Feuerpause. „Wir sind nicht bereit, im Dienst von Ausländern den Irak zu zerstören und zu besetzen“, sagt Falakaddin Kafai, Führungsmitglied der Front, und Abu Sallah, Sprecher des prosyrischen Flügels der irakischen Baath-Partei fügt hinzu: „Wir hoffen, daß die Armee Saddam Hussein vor der Katastrophe stürzen wird.“ Keiner macht sich Illusionen, daß das Regime durch einen Volksaufstand zu stürzen ist; alle scheinen auf die Armee zu setzen.

Obwohl die irakische Armee ein Kind des Krieges mit dem schiitischen Iran ist und den kurdischen Widerstand niederschlug, lehnen Kurden und Schiiten ihre Schwächung oder gar Zerstörung ab. „Wir sind nicht gegen eine starke Armee“, sagt Scheich Abdul Fata, Sprecher der schiitischen Islamischen Aktionsorganisation. „Wir sind gegen die Art und Weise, wie Saddam Hussein diese Armee einsetzt. Wir wollen, daß diese Armee ihre Rolle im Kampf gegen unsere Feinde Israel und Amerika spielt.“

Angebliche Versuche seitens der USA und Saudi-Arabiens, eine „innere Front“ gegen Saddam in den kurdischen Provinzen zu eröffnen, lehnt die kurdische Front ab. „Einige kurdische Organisationen haben am Anfang mit solchen Angeboten geliebäugelt“, erklärt Sprecher Kafai. „Aber nach Diskussionen in der kurdischen Front haben wir uns geeinigt, alle Angebote dieser Art zurückzuweisen, denn wir wissen genau, daß man uns nur als Karte gegen das irakische Regime instrumentalisieren will.“ Die Kurden hätten aus der Geschichte gelernt.

„Es ist unmöglich, daß wir plötzlich Hand in Hand mit den Amerikanern und den Golfscheichs marschieren“, sagen auch die Vertreter der schiitischen Opposition. „Sie haben doch Saddam früher immer unterstützt. Wir werden nie vergessen, daß der kuwaitische Scheich Jaber unsere Anhänger verhaftet, gefoltert und an den Irak ausgeliefert hat, wo sie dann hingerichtet wurden.“

Die Schiiten und die KP lehnen jeden Dialog mit dem Regime ab. Anders die Kurden. Es habe mehrfach Gespräche gegeben, sagt eine informierte kurdische Quelle. Unter der Bedingung, daß die irakische Politik der verbrannten Erde in Kurdistan ein Ende hat und den Kurden ein Autonomiestatus eingeräumt wird, seien sie zur Zusammenarbeit mit dem Baath-Regime bereit. Sie hätten auch angeboten, im Falle eines türkischen Angriffs auf den Irak mit ihren Bündnispartnern in der Türkei über die Möglichkeit von Operationen gegen das türkische Militär zu beraten.

Als nächsten Schritt hat die irakische Opposition einen großen Kongreß in Damaskus geplant, auf dem ein Exilparlament gewählt werden soll. Dieses soll von der Welt als legitimer Vertreter des irakischen Volkes anerkannt werden. Aber schon jetzt geht das Gerangel los: Wer hat wieviel Gewicht, wer kriegt wie viele Parlamentssitze? Und es ist kaum zu erwarten, daß viele Staaten, besonders solche mit politischem Gewicht, ein solches Parlament anerkennen und dem Saddam-Regime die Anerkennung versagen würden.