Nahost ist nicht fern 12.000 im Zug für Frieden

■ Größte Friedensdemo seit 1983 / „Fünf vor zwölf“ Kundgebung vor Bürgerschaft

's ist Krieg!, schrieb Matthias Claudius vor 200 Jahren in seinem Kriegslied. 's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre / und rede du darein! / 's ist leider Krieg und ich begehre / nicht schuld daran zu sein.

12.000 BremerInnen gingen am Samstag auf die Straße, um „gegen den für Dienstag geplanten Kriegsausbruch“ zu demonstrieren. „In diesem Krieg werden nicht nur Millionen von Menschen elend zugrunde gehen“, hieß es in dem Aufruf des Friedensforums, „sondern er wird außerdem zu einer rasanten Beschleunigung der Klimakatastrophe führen. Das werden wir auch hier in Bremen zu spüren bekommen.“

's ist Krieg! 's ist Krieg / Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen / und blutig bleich und blaß / die Geister der Erschlagenen zu mir kämen / und vor mir weineten, was? / Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten / verstümmelt und halbtot / im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten / in ihrer Todesnot. / Wenn tausend, tausend Väter, Mütter, Bräute/ so glücklich vor dem Krieg / nun alle elend, alle arme Leute/ wehklagen über mich?

Das hatte es lange nicht mehr gegeben: Einen überfüllten Marktplatz, verstopfte Fußgängerzone und Gedränge in den Nebenstraßen. Nach Einschätzung der Veranstalter und vieler begeisterter DemonstrantInnen „seit 1983 die größte Friedensdemo in Bremen“. Eine junge Frau erzählt ihrer Freundin: „Ich habe auf dem Geotheplatz gestanden und die Leute an mir vorbeiziehen lassen. Über eine Stunde war kein Ende zu sehen.“

Andererseits ist die Stimmung eher bedeckt. Plakate gibt es auffallend wenige, Sprechchöre sind so gut wie gar nicht zu hören. Schweigend oder in leise Gespräche mit der Nachbarin vertieft, ziehen sie durch die Straßen der Altstadt. „Kein Vergleich zu früheren Demos“, meinen viele.

Die Samba-Gruppe trommelt es allen unter die Haut: „Es ist fünf vor zwölf.“ Zehn trommeln wie eine — langsam zuerst, dann schneller und schneller. Unruhe, Panik und Angst ergreift jede, die in ihrer Nähe läuft.

's ist Krieg 's ist Krieg / wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten / Freund, Freund und Feind ins Grab / versammelten, und mir zu Ehre krähten / von einer Leich herab! / Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre? / Die könnten mich nicht freun!

Mitten unter den DemonstrantInnen der Gast aus Amerika. „Freedom and democracy, victory“, verkündet Mr.President lautstark über Megaphon, „this is not a second Vietnam“ und winkt mit weißen Handschuhhänden der Menge entgegen. Aus dem Dach einer wüsten-beige gespritzten Ente grüßt seine breitgrinsende Visage staatsmännisch: „We've got the hole world in our hands.“ Die beiden Blechtrommler, die seine Limousine begleiten, nicken beifällig. Bleiche Masken vor ihren Gesichtern bleiben unbeweglich.

Dem Konvoi folgt ein Trauerzug. Männer und Frauen, einige im schwarzen Tschador, ziehen und schieben einen Pritschenwagen mit achtlos übereinandergeworfenen toten Soldaten. Andere tragen Tote auf Bahren. Unter die Träger hat sich ein dunkelhäutiger Amerikaner gemischt. „Good Guys, good Guys, good bye“, tönt es wieder und wieder vom Präsidentenwagen.

's ist leider Krieg — und ich begehre / nicht schuld daran zu sein. bz