B wie Berlin...

■ Presseball im ICC: 4.000 Besucher zahlten 300 Mark für ein B-Movie — alles für einen guten Zweck

Bellissima: Kein unter Spaghettiträgerchen hervorquellendes Fett, keine freigelegten Leberflecke, Pickel und Mitesser, keine Goldbroilerbräune aus dem Sonnenstudio, nix Pailletten, null Gardinentüll oder Sedlatzekbrillis — Frau Präsidentin war eindeutig die entzückendste Dame: Im Straßenkleid (hochgeschlossen) und mit Handtasche à la Maggie, so bezauberte Hanna-Renate Laurien im Ballsall die Berliner Society »im Rausch der Sinne« ('Morgenpost‘). Danke!

Biblisch: Ausgefranstester Elegant- Bubi und Blödquäker: Thomas Krüger, Innenstadtrat a.D. mit Abgehrock im Stresemann-Altvater-Look, weil bekanntlich Interims-Oberbürgermeister.

Billig-Bourgeoise: Eine Packung eingeschmweißten Räucherlachs erbeutete Krimiautorin und Ex-Prostituierte Pieke Biermann bei der Tombola.

Besinnlichkeit: O-Ton Journalistenverband: Wir haben im Blick, daß der Ball im Schatten des Ultimatums an Irak stattfindet. Vorsorglich hatte man deshalb 2.000 Lichter installiert...

Beilage: Eine Jurke für zwei Mark. Auch arme Leute mußten im ICC nicht hungern.

Blanco: Roberto platzte im Sat1-Foyer der Kragen. Hallo Berlin, it's wonderful — und ab ging's, ganz Sammy Davis jr. für Arme, mit offener Heldenbrust und ohne Fliege...

Broiler: Berlins scheußlichsten Hahn gab's aus echt Meißen für 28.146 Mark zu gewinnen.

Beleidigt: Wie immer: Sooone Fresse zog Intendant Günter von Lowjewski, weil Ostrundfunkorchester (viel zu laut) im Ballsaal aufspielten und der Journalistenverband ein SFB-Team behindert habe. »Das gibt ein Nachspiel...«

Bundeswehr: Drei Stechschritte vor und drei zurück marschierten die feldmausgrauen Ballbürger-in-Uniform immer feste quer durch die Menge, vorbei an Küchenquirls, Sparkassenreklame und Schnellkochtöpfen, das Foyer auf und ab. Ihr Berliner Balldebüt gaben die Jungs mit »I just called to say , I love you«. Mit Stevie Wonder ab an den Golf?

Buletten: gab's in der Nolle, für dreineunzig das Stück. An Schultheißbierfässern à la U-Bahnhof Wutzkyallee spachtelten Ballbesucher, die sich an der Eintrittskarte übernommen hatten, alle Scheußlichkeiten der Regionalküche: glibbrige Sülze, Bulette, Würstchen, Essiggurken. Ideale Grundlage auch für den beliebteste Süßigkeit, Fürst- von-Metternich.

Besch...: geht's einem, wenn man Metternich mit Kindl runterspült.

Bananen: wurden heuer nicht gereicht. Ost und West waren nicht mehr zu unterscheiden.

BonnZen: Wg. Golfkrieg waren verhindert: Kohl und Genscher. Unklar ist noch, ob die oberste zivile Heeresleitung aus Pietätsgründen nicht zum Ball erscheinen konnte oder wegen pausenloser Vorbereitungen. Wenn's nur aus Pietät war, hätte es ja auch gereicht, wenn der Kanzler wegen der schweren Stunden nicht getanzt hätte...

Berlin mondän: Wir zitieren die 'Morgenpost‘:»In Glanz und Glimmer: Eberhard Gustke, Bauunternehmer aus Buckow, erschien im Glimmer-Smoking im ICC. Ehefrau Heidi zeigt viel Bein.« Klar, daß man in Acapulco, Marbella, St.Moritz und Munich schon panisch die Koffer packt und gen Bullettenweltstadt jettet...

Brutal: ist das Leben der Länderchefs. Jene einst berühmte Glatze war nur noch eine Glatze unter vielen. Und im fernen Stuttgart lag derweil Kollege Ministerpräsident in den letzten Zügen und Newcomer- Oldtimer Eberhard D. und Kurt B. (Sachsen) schwangen christdemokratisch unverdrossen das Tanzbein. Wir fragen uns : Wann darf Filbinger wieder, jetzt wo doch auch die Stasi bald amnestiert wird?

Beliebt: Eierkocher sind als Tombolagewinn mega-in.

Bedrängt: Im Fotografenkessel mußte Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit Journalistenverbandschefsgattin Uta Herz den Eröffnungswalzer tanzen. Unser aller oberster Chef rang feste mit der Noblesse und schaffte es gerade noch, nicht handgreiflich gegen die knipsende Meute zu werden.

Ballspenden: nennt man jene begehrten Plastiktüten, mit denen die Festbesucher ihrerseits für ihre Wohltätigkeit beschert werden: Für Herren gab's einen Rasierer plus Haarpflegeset, für Damen Literatur über Rückenschmerzen oder Meißen, plus Gutschein für einen Besuch im Beauty Salon.

Brigitte: Mira mußte wieder mal die Rolle des Hollywoodstars übernehmen, weil sonst nix Berühmtes aus dem Showbiz ins ICC gekommen war.

Blödmann: Karl Dall und suchte für SAT1 vergebens nach interessanten Prominenten.

Beinlich: Minirock-Ballkleider. Frauen wie Pralinenschachteln, getufft, eingetüllt, vergoldet... Nicht zu vergessen: das Schleifchen auf der Dauerwelle.

Bitte nie wieder: »Ein Lied für Europa« hieß das Kunstwerk, das um Mitternacht im »RTL plus-Europ- Bistro« Weltpremiere hatte. Wir zitieren aus dem Refrain:»Europa, wenn wir alle an dich glauben,/ Europa dann sind wir gemeinsam gut!/ Laßt das ewrig Gestrige verstauben —/ Streit und Dünkel , Dummheit, Haß und Wut./ Europa, wenn wir alle an dich glauben,/ dann werden endlich alle Träume wahr...

BMW: Im Trend lagen die edlen Spender der Bayerischen Motorenwerke. Die gestiftete 1000er wurde in diesem Jahr in Nato-Oliv angeliefert.

Blumensterben: 100.000 Blüten wurden für die Dekoration guillotiniert. Aber für einen guten Zweck, schließlich war das ganze ein Wohltätigkeitsball für Journalisten in Not. Thomas Kuppinger