„Dieses Programm kann ich unterschreiben“

■ Interview mit Peter Miller, Streikführer in der Novemberrevolution 1989, Arbeitsminister und Mitglied des „Liberalen Clubs“ im Bürgerforum INTERVIEW

taz: In den letzten Wochen schien es, als würden sich die Fronten zwischen Vàclav Klaus und dem Liberalen Club immer weiter verhärten. Nun jedoch schloß man zahlreiche Kompromisse. Welche Seite hat nachgeben müssen?

Peter Miller: Vàclav Klaus. Schließlich hat er eingesehen, wie es um ihn steht. Klaus hat im Bürgerforum keine wirkliche Machtbasis. Er behauptete immer, das die Grundorganisationen in den Bezirken und Kreisen hinter ihm stehen. Das stimmt jedoch nicht. Als wir mit den Leuten dort sprachen, wurde klar, daß nur die Parteifunktionäre Klaus unterstützen. Die hatten nämlich Angst, ihre Posten zu verlieren. Das ging sogar so weit, daß sie Stimmzettel fälschten.

Sie haben gesagt, daß Sie in keiner Organisation mit „rein kapitalistischen Zielsetzungen“ Mitglied werden möchten. Werden Sie der neuen Partei beitreten?

Ja. Meine Vorbehalte bezogen sich auf die Thesen, die die Funktionäre des Bürgerforums in Olomouc im Dezember 1989 beschlossen. Hätten diese sich durchgesetzt, wäre aus dem OF eine rein marktwirtschaftlich orientierte Partei geworden. Das Wort soziale Marktwirtschaft traute man sich gar nicht mehr auszusprechen. Von diesen Thesen ist hier jedoch nicht mehr die Rede. Durchgesetzt hat sich eine mittlere Strömung. Das Programm kann ich unterschreiben.

Auch den Abschnitt über die „soziale Gerechtigkeit“?

Ich denke, daß hier von den Delegierten noch einiges geändert werden wird. Es ist schließlich Unsinn zu fordern, daß die Unterstützung sozial Schwacher zuerst durch die Familie erfolgen soll. Diese hat ja oft selbst nichts. An dieser Stelle müssen die Pflichten des Staates genau festgelegt werden. Es geht nicht, daß in der Tschechoslowakei immer häufiger die Arbeitslosen für ihr Schicksal verantwortlich gemacht werden.

Ist auf diesem „1.Parteitag“ die Spaltung des Bürgerforums verhindert worden?

Ich glaube ja. Die Verbindung zwischen der „Linken Alternative“ und der „obroda“, einer Gruppe von Reformkommunisten, mit der sozialdemokratischen Partei war schon vor diesem Kongreß beschlossene Sache. Einige der Gründer des Bürgerforums, in erster Linie Leute aus den ehemaligen oppositionellen Kreisen, haben zwar gesagt, daß das Programm für sie nicht akzeptabel ist. Ich glaube aber, daß sie ihre Meinung noch ändern werden.

Interview: Sabine Herre