Grüne Liga weiter dezentral

■ Der zweite Jahreskongreß des Umweltnetzwerkes beschäftigte sich vorrangig mit Satzungsfragen/ Mittelfristig gute Chancen für ökologischen Landbau in den FNL?/ Pläne für Solartechnikzentrum

Berlin (taz) — Führende Mitglieder des Umweltnetzwerks Grüne Liga sehen mittelfristig Chancen für eine ökologische Wende auf dem Gebiet der früheren DDR. Zwar hätten die Menschen in den neuen Bundesländern nach dem jähen Entsetzen über das Ausmaß der ökologischen Zerstörung ihres Landes heute mehrheitlich andere Sorgen. Dennoch gebe es insbesondere unter Jugendlichen eine große Sensibilisierung für die andauernde Umweltkrise. Das erklärten gestern Mitglieder des Bundessprecherrates der Organisation nach ihrem zweiten Jahreskongreß in Berlin. Einerseits bestehe die akute Gefahr, daß die Zerstörung mit dem Aus- und Aufbau des Autobahnnetzes und umweltschädlicher Industrien fortgesetzt werde, meinte der in der Berliner Geschäftsstelle für die Projektorganisation zuständige Dieter Halbhuber. Andererseits setze sich zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft zunehmend die Erkenntnis durch, daß die industrialisierte Landwirtschaft der alten Bundesrepublik keine Alternative zu den umweltzerstörenden Methoden der früheren LPGs darstelle. Es sei denkbar, daß mittelfristig in den neuen Ländern fünf oder zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit den Methoden des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden. In Westdeutschland liegt dieser Anteil unter einem Prozent. Die Geschäftsführerin der Grünen Liga, Carola Stabe, berichtete von Plänen, in Zusammenarbeit mit der Landesregierung von Brandenburg eine erste Produktionsstätte und ein Ausbildungszentrum für Solartechnik aufzubauen. Dort sollen zunächst 50 Menschen in der Produktion Arbeit finden und 80 Ausbildungsplätze geschaffen werden. Der Kongreß, an dem unter Ausschluß der Öffentlichkeit gut fünfzig Delegierte aus allen Teilen der früheren DDR teilnahmen, stand ganz im Zeichen der Anpassung der Satzung an die Gesetze im vereinigten Deutschland. Als „Knackpunkt“ bezeichneten die beteiligten Umweltschützer Auseinandersetzungen über die künftige Rolle der „Zentrale“ des Netzwerkes, die mögliche Bildung von Landesverbänden und die Eigenständigkeit der Mitgliedsgruppen vor Ort. Man einigte sich schließlich auf die Bildung eines vorerst siebenköpfigen „Bundessprecherrats“, in dem alle neuen Länder (inklusive Berlin) und die Geschäftsführerin vertreten sind. Den Regionen wurde es freigestellt, Landesverbände zu gründen oder auch nicht. Ein aus den Erfahrungen der Umweltaktivisten mit dem „demokratischen Zentralismus“ des SED-Regimes gespeister strikter Antizentralismus hatte bereits den Gründungskongreß im Februar des vergangenen Jahres beherrscht. Im Konzert der etablierten Umweltverbände will die Grüne Liga weiter den Part eines Netzwerkes mit weitgehend autonomen lokalen Gruppen spielen. Gleichzeitig soll der unmittelbare Kontakt zu Umweltschützern in den früheren sozialistischen Ländern besonders gepflegt werden. Gerd Rosenkranz