„Mein Blut ist nicht wertvoller als das der Kameraden“

■ Die „Combat“-Debatte: Sollen sich Soldatinnen in den USA nun auch für den Kampfeinsatz „emanzipieren“?

Seit der US-Invasion in Panama, bei der auch Soldatinnen beteiligt waren, hat sich in der amerikanischen Öffentlichkeit die Diskussion über den weiblichen Kampfeinsatz verstärkt, der laut Gesetz aus dem Jahre 1948 verboten ist. Die Streitkräfte haben sich mittlerweile auf ein „risk-rule“, eine Risikodefinition, verständigt, nach der die nichtkämpfenden Verbände für Frauen grundsätzlich offenstehen sollen, solange das Risiko eines Kampfes, feindlichen Feuers oder der Gefangennahme nicht gleich oder größer ist als für die Kampfeinheiten. Angesichts der modernen Kriegstechnologie erscheinen solche Definitionsversuche absurd. Distanzwaffen beschränken sich eben nicht nur auf die Frontlinie, wenn eine solche überhaupt noch auszumachen ist.

Diese Sicht teilen GegnerInnen und BefürworterInnen weiblichen Kampfeinsatzes. Die demokratische Kongreßabgeordnete Patricia Schroeder versucht derzeit, einen Gesetzentwurf einzubringen, der Frauen die Kampfeinheiten öffnen soll. Das 'Air Force Magazin‘ zitiert sie in der Juni-Ausgabe 1990 mit den Worten: „Die Army- Bestimmungen gestatten Frauen, als erste erschossen zu werden, aber sie können nicht die ersten sein, die schießen dürfen.“

Mady Wechsler Segal, eine anerkannte Militärsoziologin, trifft vermutlich den Nerv vieler AmerikanerInnen, wenn sie das Problem in Zusammenhang mit staatsbürgerlicher Gleichheit diskutiert: „Der Ausschluß von Frauen vom Kampfdienst stellt nicht nur ein wesentliches Hindernis für die Karrieremöglichkeiten von Frauen dar. Es hindert auch alle US-Frauen, einen Status als Vollbürger zu erhalten.“ Ihr Argument geht übrigens auf Macchiavelli zurück. Nur Vollbürger hatten das Recht, bewaffnet zu sein. Sklaven und Frauen hatten dies nicht.

Diskutiert wird auch, ob Frauen physisch und psychisch in der Lage sind, sich einem Kampf auszusetzen. Doch absolvieren weibliche Kadetten immerhin mit gleichem Erfolg wie Männer die harten und renommierten Offiziersakademien. Auch der Marschgesang Kill, hate, mutilate, (Töte, hasse, verstümmle) kommt über weibliche Lippen. Ein weiblicher Offizier weiß auch, daß es in erster Linie um den „inneren Schweinehund“ geht, den Frauen zu besiegen haben: „Frauen im Militär sind ihre ärgsten Feinde, wenn sie geringere körperliche Leistungsanforderungen akzeptieren. Wenn wir die Anforderungen hoch halten, wenn wir schwangere Frauen draußen vorlassen, dann könnte jede Frau in jedem militärischen Tätigkeitsbereich eingesetzt werden, wo immer sie gebraucht würde, wenn es knallt.“ Wirklich schwierig wird die Diskussion, wenn sie Fragen der kulturell-moralischen Dimension des Geschlechterverhältnisses berührt. Männliche Beschützerinstinkte mischen sich da mit Flintenweib-Assoziationen und Amazonen-Projektionen, gegen die sich einige Frauen — auch bis zur Selbstverleugnung — zur Wehr setzen: „Ganz gewiß will ich nicht unter Beschuß geraten, und ich würde auch nicht diesen Tag herbeisehnen, aber ich habe vier Jahre lang für meinen Job gelernt und gearbeitet, und ich habe mich genauso darauf gefreut, ihn auszuüben, wie meine männlichen Kameraden. Ich dachte, daß mein Blut auch nicht wertvoller ist als das meiner männlichen Kameraden...“, zitiert der 'Boston Globe‘ nach der Panama-Invasion einen weiblichen Sergeanten, dem beim Einsatz in Panama ein Mann vorgezogen wurde und deswegen nun vor Gericht gehen will.

In einer Umfrage des 'Atlantic Magazins‘ vom August vergangenen Jahres unter in Panama stationierten Soldatinnen sprachen sich Dreiviertel aller weiblichen Offiziere für einen freiwilligen Kampfeinsatz von Frauen aus. Ein Viertel war sogar der Meinung, daß Frauen auch zum Kämpfen verpflichtet werden sollten. Ein ganz anderes Bild ergab sich bei den Mannschaftsdienstgraden: Dreiviertel war der Meinung, daß Frauen nicht zu Kampfeinheiten zugelassen werden sollten, ein Viertel bejahte dies auf freiwilliger Basis. Daß es offensichtlich besonderer Anstrengungen bedarf, nach außen hin widersprüchliche Gefühle — auftragsgemäß — zu glätten, zeigen die Aussagen von am Golf stationierten Soldatinnen. Soldatin Lisa Smith hat zwar „ganz furchtbare Angst“, aber „im Inneren ein gutes Gefühl“, warum sie hier ist. Frau Major Higgins vermißt ihren fünfjährigen Sohn sehr und trotzdem: „So sehr ich meinen Sohn auch liebe, ich habe auch einen Job hier und jetzt zu tun.“ Befürchtungen, daß das enge Zusammenleben der Geschlechter Probleme bringen könnte, werden zerstreut. Im 'Altantic Magazin‘ ist jedenfalls zu lesen, daß es weibliche Soldaten geradezu vorziehen, in gemischten Zelten zu übernachten. Die Mehrzahl der Frauen hält es allerdings für besser, in ihren Kampfanzügen zu schlafen. Wenn auch die Gesetzgebung bisher nicht geändert wurde, hat der ehemalige Präsident Reagan 1988 gleichwohl den militärischen Verhaltenscode geändert. Hieß es früher „I am an american fighting man“, heißt es heute: „I am an American“. Utemaria Bujewski-Crawford