US-Soldatinnen: „Ökonomische Wehrpflicht“

Immer mehr Frauen lernen in den USA das Kriegshandwerk/ Sie dürfen heute bereits bei fast allem mitmachen — nur der Kampfeinsatz wird ihnen noch verboten/ Fünf Prozent der Soldatinnen geben an, im Dienst vergewaltigt worden zu sein  ■ Von U. Bujewski-Crawford

Etwa 15.000 weibliche US-Soldaten stehen derzeit am Golf, also elf Prozent der dort stationierten US-Truppen. Das entspricht dem Anteil der Frauen im amerikanischen Militär insgesamt. Bei der Invasion in Panama hatte man es mit der Frauenquote noch nicht so genau genommen: Von den 24.500 eingesetzten Soldaten waren 600, also 2,5 Prozent, Frauen. Kein Militär der Welt konnte je ohne Frauen auskommen. Es gab historisch stets unterschiedliche Gründe, wenn Frauen eine aktivere Rolle im staatlichen und männlichen Gewaltmonopol Militär spielen durften. Dies geschah zum Beispiel in Kriegszeiten, bei Rekrutierungsschwierigkeiten oder wenn es notwendig erschien, das Militär durch die Beteiligung von Frauen gesellschaftlich repräsentativer erscheinen zu lassen. Allerdings konnten Frauen nie wirklich selbst bestimmen, wann und wie sie militärisch vereinnahmt wurden.

Frauen spielten im amerikanischen Militär in allen Kriegen eine Rolle. Aber erst 1967 verabschiedete der amerikanische Kongreß ein Gesetz, das die bis dahin gültige Zwei- Prozent-Beschränkung für Frauen im Militär aufhob. Trotz dieses neuen Gesetzes erhöhte sich der bis 1966 relativ konstante Anteil von Frauen (damals noch in einem eigenen Frauenkorps zusammengefaßt) von 30.000 bis 32.000 kaum. Eine deutliche Veränderung trat nach dem Vietnamkrieg mit Einführung der Berufsarmee ein. Das in der Öffentlichkeit gründlich diskreditierte Militär sah sich zunehmenden Rekrutierungsschwierigkeiten gegenüber. In den ersten 15 Monaten nach Abschaffung der Wehrpflicht erreichte die Army beispielsweise ihre vorgegebenen Rekrutierungsquoten nur zweimal. Je nach Arbeitsmarktsituation war es zeitweise günstiger, insgesamt seit 1976 jedoch eher problematisch, männliche Bewerber für die Streitkräfte zu gewinnen. Im Konzept der Freiwilligenarmee war daher von vornherein ein höherer Frauenanteil einkalkuliert. Nachdem die klassische Ressource, „der weiße Mann“, nunmehr die Möglichkeit hatte, sich freiwillig aus dem Soldatenleben zurückzuziehen, entdeckten die Militärplaner verstärkt die ebenso klassische Reservearmee: rassische und ethnische Minderheiten und Frauen. Die Regularien der Streitkräfte wurden sukzessive in bezug auf Gleichstellung und hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Frauen mit offensichtlichem Erfolg für das Pentagon geändert. Betrug der Frauenanteil 1973 2,5 Prozent (55.402), so waren es 1990 bereits 10,8 Prozent (226.000). Der Anstieg ist durchaus verständlich angesichts der sozialen und ökonomischen Situation der Frauen in den USA. Der amerikanische Soziologe David Cortright spricht daher von einer „ökonomischen Wehrpflicht“, wenn benachteiligte Gruppen im Militär Zuflucht suchen. Die Mehrzahl der im Militär beschäftigten Frauen gibt soziale Sicherheit jedenfalls als Motiv für ihren Eintritt an. Patriotische Aspekte spielen eine untergeordnete Rolle wie auch „feministische“ Ansprüche nach Selbstverwirklichung.

Frauen stellen 11,1 Prozent des Offizierskorps und 10,8 Prozent der Mannschaftsdienstgrade. Ihr Gesamtanteil liegt mit 13,5 Prozent bei der Air Force am höchsten, gefolgt von der Army mit 11,2, der Navy mit 9,7 und Marines mit 4,9. Obwohl weibliche Soldaten auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahre 1948 im Kampf nicht direkt eingesetzt werden dürfen, wurden ihnen seit 1973 immer mehr militärische Tätigkeitsfelder eröffnet. Das sind derzeit bei der Air Force 97 Prozent aller möglichen Verwendungsbereiche, bei der Army 52, bei der Navy 59 und bei den besonders martialischen Marines (Marineinfanterie) immerhin 20 Prozent. Das amerikanische Magazin 'Newsweek‘ schlüsselt in seiner September-Ausgabe 1990 die derzeitigen Tätigkeitsfelder für Soldatinnen auf. Ihr Prozentanteil — bezogen auf den Gesamtanteil von Frauen in den Mannschaftsdienstgraden — beträgt bei Infanterie, Schützen, Matrosen: 6,5 Prozent, Elektronik: 6,2, Fernmeldewesen, Aufklärung: 10,8, medizinischer und zahnmedizinischer Dienst: 13,4, technischer Spezialdienst: 2,3, Verwaltung: 35,2, Reparatur und Instandsetzung: 8,4, Dienstleistung, Versorgung: 9,8, Sonstiges: 7,4. Die 11,1 Prozent weibliche Offiziere verteilen sich wie folgt: Stabsdienst: 1,2 Prozent, taktische Operationen: 7,0, Aufklärung: 5,9, technischer Wartungsdienst: 10,8, wissenschaftlicher Dienst, Spezialqualifikationen: 5,7, Sanitätsdienst: 39,6, Verwaltung: 14,6, Nachschub, Versorgung: 8,3, Sonstiges: 6,9.

Das US-Verteidigungsministerium, das über eine eigene Beratungsgruppe für Frauen im Militär verfügt, ist mit den Leistungen seiner weiblichen Soldaten zufrieden. Schwangerschaften sind jedoch ein Problem. Zwar dürfen Frauen beim Eintritt in die Armee nicht schwanger sein, werden sie jedoch während der Dienstzeit schwanger, haben sie das Recht, den Dienst frühzeitig zu quittieren. In einem Bericht des amerikanischen Bundesrechnungshofes vom Juli 1990 wird generell eine höhere „Aussteige“quote für Frauen konstatiert; die Hauptursache hierfür liegt nach den ersten sechs Dienstmonaten aber in Schwangerschaften, während in diesem Zeitraum Männer aufgrund „unehrenhaften“ Verhaltens die Streitkräfte verlassen müssen. Weibliche Soldaten haben allerdings weniger Grund zur Zufriedenheit. Internen Pentagon-Berichten zufolge ist „sexual harassment“, sexuelle Belästigungen und Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind, ein Problem, das sich seit 1973 keineswegs geändert hat. Die Hoffnung, daß nach einer „Gewöhnungszeit“ Frauen von Männern als gleichberechtigte Partnerinnen angesehen werden, erwies sich als trügerisch. Nach einer Umfrage des Verteidigungsministeriums gaben fünf Prozent von 9.500 befragten Soldatinnen an, sie seien während der Dienstzeit vergewaltigt worden. Im amerikanischen Weißbuch, dem jährlichen Bericht des Verteidigungsministers für den Kongreß, von 1989 findet sich die Vorgabe, verstärkte Führungs- und Erziehungsmaßnahmen gegen die sexuelle Gewalt zu ergreifen — Mittel, die bisher jedenfalls versagt haben.