Der Brief an Saddam

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Washington (dpa) — Das Weiße Haus veröffentlichte jetzt den Brief von Präsident George Bush an Saddam Hussein, den der irakische Außenminister Tarik Asis bei dem Treffen am vergangenen Mittwoch in Genf mit US-Außenminister James Baker wegen seines angeblich rüden Tons zurückgwiesen hat.

„Herr Präsident, wir stehen heute an der Schwelle eines Krieges zwischen dem Irak und der Welt. Dies ist ein Krieg, der mit Ihrer Invasion Kuwaits begann; dies ist ein Krieg, der nur durch Iraks volle und bedingungslose Erfüllung der Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates beendet werden kann.

Ich schreibe Ihnen direkt, weil das, was auf dem Spiel steht, verlangt, daß keine Chance versäumt wird zu vermeiden, was zu einer sicheren Katastrophe für das irakische Volk würde. Ich schreibe auch, weil es bei einigen heißt, daß Sie nicht verstehen, wie isoliert der Irak ist und was infolge dessen auf den Irak zukommt. Ich bin nicht in der Lage zu beurteilen, ob dieser Eindruck richtig ist; was ich jedoch tun kann, ist, in diesem Brief zu bekräftigen, was Außenminister Baker Ihrem Außenminister vorgetragen hat, und zu versuchen, jede Ungewißheit und Zweideutigkeit auszuräumen, die möglicherweise bei Ihnen über unseren Standpunkt besteht und darüber, was wir zu tun bereit sind.

Die internationale Gemeinschaft ist sich einig in ihrer Forderung an den Irak, Kuwait vollständig zu verlassen, und das ohne jede weitere Verzögerung. Das ist nicht nur die Auffassung der Vereinigten Staaten; es ist die Position der Weltgemeinschaft, wie sie in nicht weniger als zwölf Resolutionen des Sicherheitsrats zum Ausdruck kommt.

Wir ziehen eine friedliche Lösung vor. Aber die UNO-Sicherheitsrats- Resolution 678 und alle anderen Resolutionen müssen erfüllt werden, weniger ist unannehmbar. Es kann keine Belohnung für Aggression geben. Auch wird es keine Verhandlungen geben. Über Prinzipien können keine Kompromisse gemacht werden. Bei voller Erfüllung wird der Irak jedoch die Chance erhalten, wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Aber noch wichtiger ist: Die irakische Armee wird der Vernichtung entkommen. Aber solange, bis Sie nicht völlig und ohne Bedingungen aus Kuwait abrücken, werden Sie mehr als Kuwait verlieren. Es geht hier nicht um die Zukunft Kuwaits — das wird frei und seine Regierung wiederhergestellt sein —, sondern um die Zukunft des Iraks. Die Wahl liegt bei Ihnen.

Die Vereinigten Staaten werden nicht von ihren Koalitionspartnern abgespalten werden. Zwölf Resolutionen des Sicherheitsrates, 28 Länder, die zu ihrer Durchsetzung Militäreinheiten stellen, mehr als hundert Regierungen, die die Sanktionen befolgen — all das unterstreicht die Tatsache, daß nicht der Irak gegen die Vereinigten Staaten, sondern der Irak gegen die Welt steht. Daß die meisten arabischen und moslemischen Länder ebenfalls gegen Sie verbündet sind, sollte bekräftigen, was ich sage. Der Irak kann und wird nicht in der Lage sein, an Kuwait festzuhalten oder für den Abzug einen Preis herauszuholen.

Sie könnten versucht sein, Trost in der Meinungsvielfalt zu finden, die die amerikanische Demokratie darstellt. Sie sollten solchen Versuchungen widerstehen. Vielfalt sollte nicht mit Uneinigkeit verwechselt werden. Noch sollten Sie, wie es andere zuvor getan haben, Amerikas Willen unterschätzen.

Der Irak spürt bereits die Wirkungen der Sanktionen, die von den Vereinten Nationen verfügt wurden. Sollte es zum Krieg kommen, wird das eine bei weitem größere Tragödie für Sie und Ihr Land sein. Lassen Sie mich auch festhalten, daß die Vereinigten Staaten den Gebrauch chemischer oder biologischer Waffen oder die Zerstörung kuwaitischer Ölfelder und Einrichtungen nicht hinnehmen werden. Ferner werden Sie direkt für terroristische Aktionen gegen jedes Mitglied der Koalition verantwortlich gemacht. Das amerikanische Volk würde die schärfste Antwort verlangen, die möglich ist. Sie und Ihr Land werden einen schrecklichen Preis bezahlen, wenn sie unverantwortliche Akte dieser Art anordnen sollten.

Ich schreibe diesen Brief nicht, um zu drohen, sondern um zu informieren. Ich tue das ohne jede Genugtuung, denn das Volk der Vereinigten Staaten hat keinen Streit mit dem irakischen Volk. Herr Präsident, die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates weist die Zeit vor dem 15. Januar dieses Jahres als eine ,Pause für guten Willen‘ aus, so daß diese Krise ohne weitere Gewalt enden kann. Ob diese Pause wie beabsichtigt genutzt oder nur ein Vorspiel für weitere Gewalt wird, liegt in Ihren Händen, in Ihren Händen allein. Ich hoffe, Sie wägen ihre Möglichkeiten sorgfältig ab und wählen weise, denn davon wird viel abhängen. George Bush.“ Übersetzung: dpa