Dünnblättrige Bremensilie

■ "Stinknase, Elefant und das Katzencafe, ein Buch aus dem Bremer Donat-Verlag

e", ein Buch aus dem Bremer Donat-Verlag

den Buchtitel

Geschichte nimmt ja gerne Gestalt an. Aber können Gestalten Geschichte auch rückwirkend annehmen? Na warum nicht? Man braucht dazu wahlweise Wahrzeichen und einen Lehrer mit unausgelasteter Fantasie. Zum Beispiel Jochen Grünwaldt, Deutsch und Geschichte. Jochen Grünwaldt ist einer, der mit diesen ganz offenen Augen durch seine Stadt läuft und angesichts von Denkmälern und anderen bildhaften Plätzen der Allgemeinheit seine Vorstellungskraft wie Muskeln spielen läßt. Jetzt ist aus dem Bizeps ein Buch geworden: „Stinknase, Elefant und das Katzencafe“ (Donat- Verlag, 10 Abbildungen von Roland Bühs, 14.80 DM). Und wer Assoziationen hat, zu assoziieren, erkennt fix, um welche Bremensilien es sich hier handelt: um die bronzenen City-Schweine, um den Kolonial-Elefanten und um eben das Katzencafe.

Da steht also ein gemauerter Elefant im Bürgerpark, den kennt jeder. So. Und jetzt kommt Jochen Grünwaldt und kennt ihn besser, weil er länger gekuckt hat. Und erfindet eine Geschichte mit Handlung, daß der Stein des Denkmals erweiche. Weil er aber Lehrer ist, erledigt er Hobby (hier: Schreiben) und Erziehungsauftrag in einem Aufwasch und hat auch schon beim Start das Lehr-Lernziel im Visier. Also laufen die Geschichten alle gleich und vor allem gradeaus: Immer gibt es einen, der ist sofort oder wird langsam zum Störenfried des Allgemeinwesens, woran geeignet gezeigt werden kann, wie a) Gesellschaft und b) mündige Staatsbürger funktionieren. Sei's bei dem Stinknasen-Typ, der den Anwohnern in der Tuchmacherstraße auf die Nase geht, sei's bei unserem Elefanten, der in Fantasien zum Tyrann mutiert, sei's im Katzencafe, das bei Grünwaldt von einer gönnerhaft kapitalistischen Katze bewirtschaftet wird (Merke: „Damit einige schlemmen können, müssen andere hungern“): Der Mensch als Verhaltenswaise zieht rechts, links, rechts, links an uns vorbei und sammelt sich am Schluß an der Zielgeraden, wo er gemeinsam Starksein übt und sich dadurch von allem Übeltäter erlösen kann. Nebenbei kriegen alle, die unser Autor nicht verknusen kann, ihr Fett ab: Doktoren heißen Ichmann, wer im Radio spricht, den versteht man nicht, Professoren sind überkandidelt, und sogar die taz findet fettige Erwähnung als Stadtteilzeitung (!) „fetz“.

Vielleicht muß man gründlich aus der Mode oder ganz früher mal aus der DDR gekommen sein, um sich gedrängt zu fühlen, rings um Solidaritätsaktionen, Toleranz-Übungen und abgestandene Schulweisheiten schlichte Geschichtchen zu ranken und sie als bremisches „Stadtbummelanten“-Büchlein für Kinder zu tarnen. Und weil auch die Sprachgewalt (“doch wie nicht selten war alle Angst grundlos“) recht schwach auf der Brust ist, wollen wir es hiermit gut sein lassen und allen Lehrern mit Schreibe- Hobby die Lektüre ans Herz legen.

Claudia Kohlhase