König aller Portugiesen

■ Staatspräsident Mário Soáres ist mit großer Mehrheit wiedergewählt worden PORTRÄT

Mit dem besten der bisherigen Ergebnisse in den vier Präsidentschaftswahlen seit der portugiesischen Revolution 1974 ist der Sozialist Mario Soares am Sonntag mit 70,4 Prozent für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden.

„In diesen schwierigen Zeiten“ könne er „die Portugiesen nicht allein lassen“, begründet der seit 1986 als Staatsoberhaupt amtierende 67jährige Sozialist Mário Soáres seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit. Nicht zuletzt wohl wegen dieser Überheblichkeit nennen ihn seine Untertanen spöttisch „o rei“ — König. Und ebenso wie ein König ist der gelernte Jurist höchst populär, scheint auf Lebenszeit mit Portugals Politik verbunden zu sein — man wird ihn nicht los.

Während der Salazar-Diktatur mehrmals verhaftet und inhaftiert, anschließend verbannt und ins Exil geschickt, gründete Soáres 1973 die Sozialistische Partei Portugals. Patin war die Friedrich-Ebert-Stiftung der deutschen SPD. In der ersten Regierung nach dem Putsch der linken Militärs unter Otelo Saraiva de Carvalho am 25.4.1974 amtierte Soáres als Außenminister. Der bisherige Nato-Stützpunkt Portugal strebte Blockfreiheit an und versuchte eine antikolonialistische Afrikapolitik. Am 25. November 75 war dann alles vorbei; mit dem revolutionären Portugal ging's — auch dank deutschem und US-Handelsboykott — bergab. Soáres wurde zur „Garantie für das demokratische System in Portugal“, so US-General Vernon Walters, der damalige Vizedirektor der CIA. Die Sozialisten enttäuschten das in sie gesetzte Vertrauen nicht. Sie wollten den raschen Anschluß des armen Portugal an die europäische Konsumgesellschaft.

Hatten die USA im März 75 den zweiten Putsch der Rechten noch unterstützt, wurden sie in den folgenden Jahren zum Kreditgeber, zum wichtigsten Lieferanten und Investor in Portugal. Zwar siegten 1983 Sozialisten und Kommunisten über die Konservativen; doch anstelle einer Linkskoalition ging der damalige Ministerpräsident Soáres ein Bündnis mit den neoliberal ausgerichteten rechten Sozialdemokraten ein. International wurde auch das belohnt: 1986 erreichte Soares den EG-Beitritt. Noch nie war die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes vom Ausland so groß.

Doch der „König“ geht unbeirrt seinen Weg. Inzwischen nicht mehr als Minister-, sondern als Staatspräsident, seit ihm 1986 die gesamte portugiesische Linke ins Amt verhalf. Wie Otelo Saraiva de Carvalho das Symbol für die gescheiterte und verdrängte portugiesiche Revolution ist, und — folgerichtig — auch kürzlich vom höchsten Gericht wieder hinter Gitter geschickt wurde, so ist der Politiker Mário Soáres das Symbol für die Sicherung des portugiesischen Kapitalismus. Seine politische Karriere erscheint wie eine Slalomfahrt zwischen den Markierungspunkten Linksbündnis und Rechtsputsch: Er verkörpert die Rückkehr Portugals zu freier Marktwirtschaft und Demokratie nach westlichem Muster. „Die Exzesse der revolutionären Periode und das Trauma der Entkolonialisierung sind dank der Reife des portugiesischen Volkes und der Hilfe, die uns die internationalen demokratischen Kräfte nie verwehrt haben, seit langem überwunden“, versicherte Soares vor zwei Jahren in Bonn. Sigrid Bellack